Organisiertes Lohndumping

Da die Arbeitsbedingungen in der Pflege nur eine begrenzte Zeit zu ertragen sind, gibt es eine unglaubliche Fluktuation in der Branche. Viele schmeißen nach einiger Zeit einfach hin, obwohl sie eine harte Ausbildung hinter sich gebracht haben.

Es würden die Mitarbeiter in diesem Job bleiben, wenn nicht nur die Bezahlung besser wäre, sondern wenn die gesamte Situation sich bessern würde, für den Arbeitenden, wie auch für den Patienten.

Statt die Bedingungen wieder menschlicher zu gestalten um damit auch das Personal zu halten, sucht man sich neue Pflegekräfte aus Ländern, in denen die sozialen Bedingungen so mies sind, daß die Arbeit im deutschen Gesundheitswesen als Verbesserung wahrgenommen wird.

Wir haben solche Meldungen bereits von Kollegen in anderen Städten gehört. Nun ist es auch bei uns angekommen. Man bemüht sich nun in organisierter Form, Pflegkräfte aus Niedriglohnländern zu rekrutieren.

Vorbereitungskurse für ausländische Pflegekräfte gestartet

Um dem bundesweiten Personalmangel in der Krankenpflege entgegenzuwirken, setzt das UKSH erfolgreich auf den Qualifikationsmix und stellt sich auf die Bedürfnisse der aktuellen Bewerbergeneration mit attraktiven Arbeitszeitmodellen und besonderen Leistungen, wie beispielsweise eigenen Kindertagesstätten, ein.

Für Pflegekräfte aus dem Ausland bietet die UKSH Akademie in Zusammenarbeit mit dem UKSH seit April Vorbereitungskurse auf die Kenntnisprüfung an. „Das UKSH bietet den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein hohes pflegerisches Niveau und eine Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten sowie Entwicklungschancen“, sagt Christa Meyer, Vorstand für Krankenpflege, Patientenservice und Personalangelegenheiten. „Wir werden zukünftig aufgrund der schwierigen Situation des Arbeitsmarktes auf weniger Pflegekräfte zugreifen können als bisher. Daher hat die UKSH Akademie gemeinsam mit dem UKSH ein Konzept entwickelt, das vier Mal jährlich Vorbereitungskurse für ausländische Pflegekräfte auf die Kenntnisprüfung vorsieht.“

Die ausländischen Pflegekräfte arbeiten für die ersten Monate – also während der Lehrgangsphase – als Pflegehelfer auf den Stationen. Sobald sie die Prüfung in Theorie und Praxis erfolgreich abgelegt haben, erfolgt die Hochstufung zur examinierten Pflegekraft. Vorausgesetzt wird hierfür mindestens ein B2-Sprachzertifikat. „Wenn unsere ausländischen Kolleginnen und Kollegen ihren Sprachkursus gemacht haben und sich bereits verständigen können, setzen wir sie auf Station ein. Sie bekommen einen speziellen Ansprechpartner, der sie begleitet und auch den Kontakt ins Team organisiert. Parallel dazu nehmen sie an weiteren Sprachkursen teil. Künftig möchten wir auch darüber hinaus Kurse anbieten und den Schwerpunkt auf medizinische Fachsprache legen“, sagt Gaby Wulf, Pflegedirektorin am Campus Lübeck. „Gemeinsam mit unseren Partnerfirmen unterstützen wir die Pflegekräfte bei der Wohnungssuche bzw. stellen extra angemietete Wohnungen zur Verfügung. Es ist uns ein besonderes Anliegen, die Pflegekräfte nicht nur beruflich einzubinden, sondern sie auch bei den sozialen Aspekten zu unterstützen – sie sollen sich wohlfühlen und ihre Heimat nicht zu sehr vermissen.“

Sabine Richter, Pflegedirektorin am Campus Kiel ergänzt: „Wir haben bisher sehr gute Erfahrungen mit den ausländischen Pflegekräften gemacht. Die bestehenden Teams nehmen die neuen Kollegen gut auf und wir hoffen, dass wir künftig für unsere ausländischen Pflegekräfte auch gemeinsame Freizeitaktivitäten, wie beispielsweise gemeinsame Kochabende, anbieten können, um den sozialen Aspekt zu stärken. Darüber hinaus bietet das UKSH eine professionelle Einarbeitung und gute Aufstiegsmöglichkeiten, vielfältige Dienstzeitmodelle, Kinderbetreuung, gute Weiterbildungsmöglichkeiten, Führungskräfteentwicklung und abwechslungsreiche Arbeit in freundlichen Teams.“

Der Unterricht ist in Theorie und Praxis sowie Praxisanleitung aufgeteilt und umfasst insgesamt rund 700 Stunden verteilt auf vier Monate. „Neben Fachinhalten beinhalten die Kurse auch Sprachtrainings. Die theoretischen wie praktischen Anteile werden eng durch die Klassenlehrerin Michaela Prigge begleitet“, sagt Anja Moderegger, Pädagogische Leiterin der UKSH Akademie. „Durch eine feste Ansprechpartnerin wollen wir den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Lernen in der neuen, fremden Umgebung erleichtern. Frau Prigge richtet beispielsweise das Klassenzimmer so ein, dass jeder Teilnehmer etwas aus seinem Land mitbringt und so den Raum mitgestalten kann.“ Gabriele Becker-Jensen, Leiterin der Pflegeschulen der UKSH Akademie am Campus Kiel ergänzt: „Wir erfahren eine großartige Unterstützung durch unsere praktischen Einsatzorte. Insgesamt sind viele Organisationen und Behörden in das Geschehen involviert: das UKSH, die verschiedenen Botschaften der Länder, das Schleswig-holsteinische Landesamt für soziale Dienste als Prüfungsbehörde des Sozialministeriums, die Arbeitsagentur, die Zertifizierungsstelle, verschiedene Träger und Vermittler-Organisationen, über die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu uns gelangen und natürlich die UKSH Akademie. Das bedeutet, gute Absprachen zu treffen und Zeitpläne einzuhalten oder anzupassen.“ Der im April gestartete Kursus ist multikulturell zusammengesetzt: Albanerinnen und Albaner, Philippininnen und Philippinen sowie zwei Bosnier und eine Nigerianerin nehmen teil.

Das UKSH hat im vergangenen Jahr die Charta der Vielfalt unterzeichnet und nimmt aktiv am Diversity Tag teil. Als Unterzeichner der Charta wertschätzt und fördert das UKSH Vielfalt. Die Umsetzung von Vielfalt ist nicht nur ein kurzfristiges Projekt, sondern eine längerfristige Veränderung der Organisationskultur: hin zu mehr Offenheit und wertschätzendem Umgang. Das UKSH hat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 112 Herkunftsländern, Junge und Ältere arbeiten gemeinsam und mehr als 70 Prozent der Belegschaft ist weiblich – Vielfalt gehört am UKSH dazu. „Die Vielfalt spiegelt sich nicht nur in der Belegschaft des UKSH wider, auch die Patientinnen und Patienten, die täglich ins UKSH kommen sind vielfältig: in ihren Krankheiten, in ihrem Auftreten und in ihrer Herkunft“, sagt Sabine Richter. Gaby Wulf ergänzt: „Mit Pflegekräften aus dem Ausland tragen wir zu einem vorurteilfreien Arbeitsumfeld bei, das auch die Versorgung unserer Patientinnen und Patienten verbessert.“

HL-live 9.6.2017

In anderen Städten wird bereits darüber diskutiert, daß die Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen dazu führen könnte, daß es zu Spaltungslinien und rassistischen Spannungen kommt. Wir wollen klarstellen, daß es uns völlig egal ist, welche Nationalität unsere Kollegen haben.

Wenn Spannungen entstehen, müssen wir dafür sorgen, daß sich unsere Unzfriedenheit gegen die inakzeptablen Arbeitsbedingungen in der Pflege richtet und niemals gegen Kollegen.

5 Gedanken zu „Organisiertes Lohndumping“

  1. Beim Blick auf die Besucherstatistik dieses Blogs fiel mir eine Anzahl von Besuchen aus Nordafrika, Indonesien und den Philippinen auf. Ich kann nur vermuten, doch könnte es sein, daß es Reaktionen auf eine weltweite Ausschreibung für Jobs im UKSH sind. Nach einem Jobangebot sucht man natürlich zusatzliche Infos über den Arbeitgeber.

  2. Erste internationale Pflegekräfte am UKSH
    Die ersten Teilnehmer der Kenntnisprüfungskurse für internationale Pflegekräfte am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) haben erfolgreich ihre Prüfungen absolviert.

    Aktuell haben im ersten Kursus am Campus Lübeck alle zwölf Teilnehmer beide Prüfungsteile in Theorie und Praxis bestanden. In vorangegangenen Kursen am Campus Kiel hatten bereits sieben von 13 Teilnehmern die Kenntnisprüfungen erfolgreich absolviert.

    Bereits jetzt arbeiten am UKSH Menschen aus 112 Herkunftsländern.
    Mit großem Engagement hatte in den Jahren 2017 und 2016 ein Freiwilligenteam des UKSH, bestehend aus mehr als 60 Ärzten, Pflegekräften und Schülerinnen der UKSH-Akademie, Dolmetschern sowie weiteren Berufsgruppen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes mehrere Tausend Geflüchtete untersucht und medizinisch betreut. Auch Geflüchteten mit geeigneten Berufsabschlüssen stehen die Kenntnisprüfungskurse des UKSH bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen selbstverständlich offen. Zudem bietet das UKSH mithilfe von Praktikantenkoordinatoren Berufsorientierungs-Praktika für junge Geflüchtete im Rahmen ihrer Integration an.
    https://www.hl-live.de/aktuell/text.php?id=118310

  3. „Sagt ausländischen Pflegekräften die Wahrheit!“

    Immer mehr Pflegekräfte kommen aus Ländern wie Polen und Vietnam – und immer mehr verlassen Deutschland nach kurzer Zeit wieder. Experten erstaunt das nicht.

    500 Prozent mehr ausländische Pflegekräfte

    In Frankfurt a. M. kommt fast jede 2. Pflegekraft aus dem Ausland

    Vermittlungsprämien bis 18.000 Euro

    https://www.pflegen-online.de/sagt-auslaendischen-pflegekraeften-die-wahrheit

  4. Pflegekräfte vom Balkan – üppiges Geschäft für Vermittler

    Deutsche Kliniken sollen bis zu 15.000 Euro für die Vermittlung einer Pflegekraft vom Westbalkan bezahlen.
    (…)
    Sie sollen den Bedarf hierzulande wenigstens lindern – laut Prognosen werden in Deutschland in fünf Jahren rund 200.000 Pflegekräfte fehlen. Ein leitender Mitarbeiter einer deutschen Pflegeheimkette sagt, sie seien mittlerweile bereit, rund 10.000 Euro pro Pflegekraft an Vermittler zu bezahlen.
    (…)
    Mehrere Vermittler sagen, sie bekämen sogar bis zu 15.000 Euro für eine Pflegerin, die sie vom Balkan nach Deutschland bringen.
    (…)
    „Der Anfang in Deutschland ist hart genug. Wenn dann noch eine Agentur den Menschen etwas Unrealistisches verspricht, ist es noch schlimmer.“

    Die Klassiker, sagt Simon, seien Versprechungen von üppigen Gehältern – gezielt werde dabei Brutto- und Nettogehalt verwechselt. Oder es werde das Märchen verbreitet, der Arbeitnehmer dürfe gleich die ganze Familie mitnehmen. „Dann kommen sie nach Deutschland… es ist kalt, es regnet, die Familie ist weit weg, das Geld stimmt nicht. Dann sind die Leute fertig“, sagt Simon. „Es gehört sich nicht, die Menschen mit falschen Versprechen zu entwurzeln und so nach Deutschland zu bringen. Das ist für mich Menschenhandel.“

    Ein anderer Vermittler, der seinen Namen nicht in der Presse lesen möchte, gibt zu, das Personal mitten in den Kliniken auf dem Balkan abzuwerben. Dafür arbeitet er mit einigen Krankenschwestern zusammen. „Sie rufen mich an und sagen, sie hätten zum Beispiel drei Kolleginnen, die nach Deutschland wollten. Wenn es klappt, dann bekommen sie von mir 300 Euro pro Person.“
    (…)
    Deswegen lässt Pro Sert, eine Agentur aus der zentralserbischen Stadt Kragujevac, die Bewerber einen Vertrag unterschreiben, der eine Strafe von 3000 Euro vorsieht, wenn sie abspringen. Das ist ein durchschnittlicher halber Jahreslohn in Serbien. Einige Verträge, die der DW vorliegen, zeigen: Der Bewerber bezahlt die Strafe, wenn er abspringt, über eine andere Agentur nach Deutschland geht oder die ersten beiden Jobangebote ablehnt, die ihm Pro Sert macht.
    (…)
    https://www.dw.com/de/pflegekr%C3%A4fte-vom-balkan-%C3%BCppiges-gesch%C3%A4ft-f%C3%BCr-vermittler/a-51939478

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