Proteste

Proteste gegen Pflegenotstand

Allein Schleswig-Holstein fehlen über 4000 Pflegekräfte. Situation spitzt sich weiter zu

Gegen den Pflegenotstand in Krankenhäusern und Pflegeheimen in Schleswig-Holstein haben rund 600 Pflegekräfte am Donnerstag in Lübeck und Kiel demonstriert. Zurzeit hätten Pflegekräfte allein in Schleswig-Holstein 1,2 Millionen Überstunden angesammelt, es gebe einen Bedarf im Norden von 4000 zusätzlichen Stellen und bundesweit von 162.000, sagte Verdi-Fachbereichsleiter Steffen Kühhirt. Verdi hatte am Internationalen Tag der Pflege den Aktionstag “für mehr Personal und Entlastung in Krankenhäusern und Altenpflege” ausgerufen – mit Protesten auch in Schwerin und Rostock. Insgesamt demonstrierten laut Verdi mehr als 1000 Pflegekräfte.

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Die Krankmacher

Die ZDF Journalistin Beate Frenkel hat umfangreich über die Medikamentenvergabe für unruhige Kinder recherchiert. Die Recherchen sind inzwischen als Buch unter dem Titel “Die Kinderkrankmacher” erschienen.

Der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) hat ein Interview mit ihr veröffentlicht, aus dem ich hier zitieren möchte.

Der Pharmamanager einer großen Firma hat uns vor Jahren gesagt: “Jetzt knöpfen wir uns die Kinder vor. Die machen wir zu Kranken.” Das hat offensichtlich funktioniert. Da wird ein Milliardengeschäft mit unseren Kindern gemacht. Es hat uns aber sehr überrascht, welches Ausmaß das inzwischen hat: Vor 20 Jahren gab es noch etwa 5.000 Kinder mit ADHS, jetzt sind es es angeblich über 600.000. Jährlich schlucken sie 1,75 Tonnen Tabletten dagegen.  Tabletten mit schwersten Nebenwirkungen, wie etwa jener,  dass sie nicht so wachsen wie andere, Herzrhythmosstörungen oder Depressioenen bekommen Das fanden wir alarmierend. Was tun wir da unseren Kindern an, die das wichtigste sind, was wir haben!

Nicht die Kinder sind das Problem, sondern die Erwachsenen – so hat es der bekannte Schweizer Wissenschaftler und Kinderarzt Remo Largo im Gespräch mit uns auf den Punkt gebracht. Viele Eltern fühlen sich unter Druck, weil sie Angst vor dem sozialen Abstieg ihrer Kinder haben. Sie geben im Jahr 1,5 Milliarden Euro allein für Nachhilfestunden aus – obwohl ihre Kinder oftmals gute Noten haben. Eltern haben Angst, dass ihre Kinder in der Schule versagen, wenn sie  unkonzentriert oder zappelig sind. Und auch viele Lehrer sind unter Druck, weil sie in viel zu großen Klassen in immer kürzerer Zeit den Lehrstoff durchpauken müssen. Die Kinder sollen sich dann anpassen, notfalls eben mit Tabletten.

Die Kinder schlucken Tabletten, die nicht für sie gemacht sind und von denen wir nicht wissen, was sie langfristig in den wachsenden Kinderhirnen bewirken. Und man muß sich eben klar darüber sein, dass diese Psychopharmaka schwerweigende Nebenwirkungen haben können. Immer mehr Kinder bekommen beispielsweise Neuroleptika verordnet, die auch als Gehirnerweicher bezeichnet werden.

Die Pharmaindustrie verdient an jeder Pille, die verschrieben wird. Neue Krankheiten, gegen die es die passenden Tabletten gibt, sind ein gutes Geschäft. Und auch Ärzte profitieren davon. Manche Ärzte lassen sich leider vor den Karren spannen. Ein Pharmainsider hat uns gesagt: Wir gehen schon früh an die Unis ran, an junge Wissenschaftler. Da entstehen Freundschaften fürs Leben. Die Pharmaindustie zahlt Ärzten Fortbildungen oder Vorträge, lobt Preise aus, finanziert Studien. Da entstehen Abhängkeiten. Das hat System.

Zitate aus der Broschüre Naturalisiserung und Individualisierung – Beiträge der Wissenschaft zur Legitimation von Armut und Ausgrenzung. Absolut lesenswert!

Auch die Nachdenkseiten berichteten über das Buch von Beate Frenkel.

Die Macht der Definition

Fragen zur Pflege und zu dem Begriff “Gesundheit”

Die Gesundheit ist zu einem Spezialistenthema geworden. Ärzte und Wissenschaftler meinen hier die Deutungshoheit zu haben.

Die wahren Fachleute sind die Betroffenen, die “Kranken”, bzw. Patienten. Das Pflegepersonal und dessen Erfahrung in der Arbeit am Krankenbett zu übergehen, ist ebenfalls ignorant.

Wir wollen nicht einfach nur Menschen wieder zusammflicken, damit sie wieder arbeitstauglich sind, und wir lehnen es ab, daß der Gesundheitsektor immer weiter der Kosten-Nutzen-Rechnung unterworfen wird. Wir wollen uns Gedanken machen darüber, was eigentlich “gesund” ist.

Eine Einschätzung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Die Lebenserwartung nimmt zu und damit auch die Zahl kranker und pflegebedürftiger Menschen. Demgegenüber sinkt die Zahl der Pflegekräfte, deren Altersdurchschnitt steigt.
Dabei stellt die Arbeit im Pflegebereich hohe Anforderungen an Körper und Psyche der Beschäftigten.

Schichtdienste der Pflegenden führen zu unregelmäßigen Arbeitszeiten, die zusätzlich belasten.
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Unsere Arbeit

Es ist ein Kreuz mit den Pflegeberufen. Sie ziehen Menschen an mit einer menschlichen Ader, Menschen, die gern helfen. Und genau das wird schamlos ausgenutzt. Wozu eine angemessene Bezahlung? Man vertröstet da gleich mit dem “guten Gefühl”, das der Job einem gibt, damit, etwas sinnvolles zu tun.

Die Anforderungen der Ausbildung sind enorm, die alltägliche Praxis der Pflege verschleißt das Personal. Die Fluktuation ist groß. Und es wird immer weiter nach Möglichkeiten der Arbeitsverdichtung gesucht.

Die Belegschaften sind immer weniger einheitlich bei einem Unternehmen angestellt. Outsorcing, Subunternehmen, Leiharbeit sind die gleichlautenden Stichworte im Geundheitssektor, genauso wie in den anderen Wirtschaftsbranchen, mit denen die Belegschaft immer weiter aufgespalten wird. Unter neuen und immer schlechteren Arbeitsverträgen wird die gleiche Arbeit geleistet, wie zuvor.

Angry Nurse

Es liegt nun in unseren Händen, diese Spaltung zu überwinden. Wir sehen auch in Outgesourcten oder LeiharbeiterInnen einfach nur Kollegen. Und wir wollen an einem Strang ziehen gemeinsam mit wissenschaftlichem und technischem Personal, mit Hausarbeitern, Küchenpersonal oder Reinigungskräften. Und in unsere Diskussionen und Forderungen sollten wir auch die Patienten mit einbeziehen.

Patient

KN Artikel über Angriffe auf UKSH Personal

Das alles macht den aufreibenden Dienst schon schwer genug. Dass nun aber auch noch Unberechtigte nachts und in aller Frühe in Kliniken ihr Unwesen treiben, ist dem Personal nicht auch noch zuzumuten. Nachvollziehbar, dass es sich nicht auf den Sicherheitsdienst verlassen will, der nun mal nicht alle Neben- und Notausgänge auf dem unübersichtlichen Gelände gleichzeitig überwachen kann. Verständlich also, dass das Klinikpersonal seine Pförtner wieder haben möchte – als Kontrolle im Haus, als tatkräftige Hilfe in bedrohlichen Situationen, als Abschreckung. Denn jeder potenzielle Täter müsste damit rechnen, dass er nur bis zur Pforte kommt.

Andererseits ist es auch nachvollziehbar, wenn Kliniken keine Hochsicherheitstrakte sein wollen. Dass Angehörige fast zu jeder Zeit ihre Kranken besuchen können, ist eine Errungenschaft. Aber nachts und angesichts von Minimalbesetzungen auf Stationen sollte die Sicherheit schwerer wiegen. Doch die Pforten werden kaum besetzt werden – die schwarze Null als oberstes Ziel des Klinikvorstands wird es verhindern.

KN Kommentar vom 3.3.2016