Jens Scholz möchte gern weiter „Vorreiter“ sein bei der neoliberalen Abwicklung des Gesundheitswesens. Für die Medien wird gern ein wenig Show gemacht mit Hackethons, süßen Robotern und Geschwätz von KI und Innovation. Dabei geht es nur darum, aus der Gesundheitswirtschaft noch mehr herauszupressen, indem der Arbeitsdruck auf die Beschäftigten erhöht und die Bezahlung gesenkt wird.
Zu diesem Konzept gehört es auch, einen Teil der Servicebereichs einfach auszusourcen, um so die dort Beschäftigten mit Dumpingllohnen abzuspeisen. Doch die Beschäftigten haben keine Lust, da mitzuspielen. Sie sind keine Beschäftigten 2. Klasse und sie wollen genauso behandelt werden, wie diejenigen, die direkt beim UKSH beschäftigt sind und nicht beim Billigheimer Service Stern Nord (einer hunterprozentigen Tochter des UKSH). Sie wollen nichts weiter, als den gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Und weil diese Forderung so einfach ist und eine Selbstverständlichkeit sein sollte, sind das Verständnis und die Solidarität unter den UKSH Beschäftigten groß, auch wenn ein Streik für sie die Arbeit erschweren kann.
Das Management hat nicht damit gerechnet, daß die Servicebeschäftigten keine Schafherde sind, sondern Menschen, die bereit sind, für ihre Würde und ihre Rechte zu kämpfen. Die Dumpinglöhne waren fest eingerechnet in die Kalkulation des Klinikbetriebs. Wir haben eine Situation, in der das Management nicht bereit ist, zurückzuweichen. Wir müssen uns auf eine harte Auseiandersetzung vorbereiten, in der auch mit unfairen Mitteln gespielt wird, mit dem Bruch von Absprachen, mit Lügen, dem Einsatz von Streikbrechern, mit Einflußnahme auf die Medien und auch mit juristischen Angriffen auf den Streik.
Die Beschäftigten der Service Stern Nord haben bewiesen, daß sie zusammenstehen können und entschlossen sind. Sie sind Dauerbelastung bei der Arbeit gewohnt, jetzt werden sie diese Fähigkeit im Kampf unter Beweis stellen.
Die Gewerkschaft der Servicekräfte hat erklärt, daß der Arbeitgeber nicht an Verhandlungen und einem Entgegenkommen interessiert ist:
Statt sich auf die Forderungen der GDS zuzubewegen, provoziert er mit einem Versuch, unsere Rechenkünste auf die Probe zu stellen und unterbeitet ein noch schlechteres Angebot als zuvor.
Es werden nicht nur die Tarifverhandlungen für gescheitert erklärt, auch die Notdienstvereinbarung wird aufgekündigt:
Die Notdienstvereinbarung zwischen der GDS und der Service Stern Nord GmbH wird in den nächsten Tagen unsererseits gekündigt werden, da der Arbeitgeber bei den letzten Warnstreiks die Anwesenheit von streikunwilligen und gestellten Beschäftigten, welche nicht in den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen, verschwiegen und damit massiv gegen diese verstoßen hat. Bei einem einmaligen Vorgang hätte man wohlwollend von einem Versehen ausgehen können, allerdings sind uns zahlreiche Fälle aus vielen Bereichen bekannt geworden. Das Agieren des Arbeitgebers lässt diesbezüglich auf bewusstes und absichtliches Handeln schliessen, um ein höheres Kontingent an Mitarbeitern für einen Regelbetrieb zur Verfügung zu haben.
Der Einsatz von Streikbrechern hat die Fronten verhärtet:
Zudem gibt es Unstimmigkeiten bei der Auslegung, welche Arbeiten durch die Notdienste erbracht werden müssen und welche nicht. Der Arbeitgeber geht absurderweise davon aus, dass während eines Streiks alle anfallende Arbeiten zu erledigen sind, wenn genügend Personal anwesend ist. Dies widerspricht unserer Arbeitskampfrichtlinie elementar. Es wurden zudem Drittunternehmen zum Streikbruch eingesetzt. Dies wird ebenfalls rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Um in den nun notwendigen Kampf, den unbefristeten Streik, treten zu können, ruft die GDS zur Urabstimmung auf:
Die Tarifkommission hat am Dienstag, den 27.04.2021, beschlossen, eine basisdemokratische Urabstimmung über einen unbefristeten Streik in der Service Stern Nord GmbH am Universitätsklinikum in Schleswig-Holstein einzuleiten.
Die Gewerkschaft erklärt ebenfalls:
Wir möchten die Gelegenheit nutzen, uns bei den Beschäftigten in der Pflege sowie bei den Ärztinnen und Ärzten am UKSH für ihre Solidarität zu bedanken. Unsere Kolleginnen und Kollegen an der Basis berichteten zahlreich vom positiven Feedback aus dieser Richtung. Wir wissen, dass die Arbeit der Belegschaft des UKSH durch unseren Arbeitskampf nicht leichter wird, aber das beweist auch, dass Medizin, Pflege und Service nur gemeinsam funktionieren können!
(Alle Zitate aus der Presseerklärung der GDS vom 28.4.2021)
Die Kieler Nachrichten sind bemüht, so wenig wie möglich über die Auseinandersetzung an den Unikliniken Schleswig-Holstein zu berichten. Daß es auch anders geht, beweisen die Lübecker Nachrichten am 28.4.2021:
Service-Mitarbeiterin am UKSH: Darum streike ich
Seit Anfang März streiken die Mitarbeiter des Service Stern Nord am UKSH immer mal wieder für eine schrittweise Angleichung an die Gehälter an die der direkt beim UKSH Beschäftigten. Jetzt steht die Urabstimmung kurz bevor. Eine Mitarbeiterin aus Lübeck erklärt, warum auch sie streikt.
Lübeck. Dagmar Albrecht ist gelernte Restaurantfachfrau und Köchin. Seit mehr als fünf Jahren arbeitet sie für die UKSH-Tochter Service Stern Nord in Lübeck. Ihre Arbeit sei zwar anstrengend, aber dennoch ein schöner Job, sagt die 54-Jährige. Doch die Tatsache, dass sie und ihre 900 Lübecker Kollegen für die gleiche Arbeit deutlich schlechter bezahlt werden als die direkt am UKSH Beschäftigten, ist für Albrecht ein Zeichen geringer Wertschätzung. Deshalb streikt sie mit.
„Verantwortungsvoller und anstrengender Job“
Bis zu einer schweren Bandscheiben-Erkrankung 2019 mit OP und anschließender Reha, erzählt Dagmar Albrecht, war sie in der Serviceassistenz beschäftigt. Dort war sie zuständig für die Bestellung und Versorgung der Patienten und der Station mit allen Dingen des täglichen Bedarfs wie Essen, Getränke, Geschirr und Wäsche, aber auch medizinischem Bedarf wie Spritzen, Verbände und ähnliches. „Für jeden Patienten werden alle Mahlzeiten individuell auf seine Wünsche und Bedürfnisse zugeschnitten, täglich neu erfragt und bestellt. Bei Bedarf werden diese von uns auch mundgerecht zubereitet, was nicht gerade selten vorkommt.“ Es sei ein äußerst verantwortungsvoller, anstrengender aber auch schöner Job, der gerne mit gelernten Kräften aus der Gastronomie besetzt werde.
Man sei, sagt sie, „ein Bindeglied zwischen den Patienten und dem medizinischen Personal und braucht viel Einfühlungsvermögen“. Nach ihrer Erkrankung wechselte Albrecht in eine andere Abteilung – sie ist jetzt in der Logistik der Service Stern Nord tätig.
Kein Weihnachtsgeld, wenig Urlaubsgeld
Dagmar Albrecht listet kurz auf: Ihr Verdienst bei einer Lohnerhöhung von 0,94 Euro in fünf Jahren beträgt 11,82 Euro pro Stunde. Das gezahlte Urlaubsgeld in Höhe von nicht einmal zehn Euro pro Tag und Weihnachtsgeld in Höhe von 0,00 Euro – das gleiche den geringen Grundlohn wahrlich nicht aus. Nur durch Sonn- und Feiertagsdienste sowie Nachtschichten, sagt die 54-Jährige, „kann man vom Gehalt einigermaßen würdevoll existieren“.
UKSH-Beschäftigte auch im Krankheitsfall besser gestellt
Ein gleichgestellter Kollege mit UKSH-Vertrag verdiene etwa 1000 Euro brutto mehr als ein beim Service Stern Nord beschäftigter, das Weihnachtsgeld betrage ein knappes 13. Gehalt, bei Krankheit stocke das UKSH das bereits gut bemessene Krankengeld für bis zu sechs Monate auf 100 Prozent auf. „Nicht so für die Service-Stern-Mitarbeiter“, die in allen nichtmedizinischen Bereichen inklusive Verwaltung arbeiteten. „Zu Weihnachten gab es für die Belegschaft der Service-Gesellschaft nicht etwa einen kleinen Bonus für den zusätzlichen Einsatz in Zeiten der Pandemie, sondern warme Worte, eine Trinkflasche aus Bambus und einen Kugelschreiber.“
Geringe Wertschätzung
Und bei der Berechnung von Krankengeld, Übergangsgeld und ähnlichem würden Zuschläge nicht eingerechnet. „So wird aus diesem ,wertvollen‘ Mitarbeiter der Servicegesellschaft einer, der sich plötzlich am Rande der Armutsgrenze wiederfindet“, bilanziert Albrecht, die aus Erfahrung spricht. Als Alleinstehende habe sie sich von einem dreiviertel Jahr Krankengeldbezug finanziell noch nicht wieder erholt. Bitter stellt sie fest: „Soviel zum Thema Wertschätzung des Mitarbeiters durch das UKSH, das sich ja auch gerne als ausgezeichneter ‚Top-Arbeitgeber‘ darstellt.“
„Tarifangebot ist ein Schlag ins Gesicht“
Und jetzt habe es durch das vorgelegte Tarifangebot einen Schlag ins Gesicht gegeben: Zunächst bot der Arbeitgeber der Gewerkschaft der Servicekräfte (GDS) 16 Prozent auf drei Jahre, in der Verhandlungsrunde am Montag dann 19 Prozent auf vier Jahre. GDS-Vorsitzender Steffen Beckmann bilanziert: „Der Streik hat nichts gebracht.“ Zwar habe die Arbeitgeberseite das Angebot erhöht, aber beim genaueren Hinsehen stelle man fest, dass die 19 Prozent nur durch die Laufzeit-Verlängerung um ein Jahr erreicht würden. Im Klartext: Das sei sogar weniger als zuvor geboten
„Streik ist wichtig für alle – Zusammenarbeit für Patienten
Am Dienstag beschloss die Tarifkommission, die Urabstimmung über einen unbefristeten Streik einzuleiten. Für Dagmar Albrecht ist auf alle Fälle klar: Der Streik ist nicht nur wichtig für die betroffenen Mitarbeiter, sondern für alle. Denn: „Ärzte, Pflege und Service arbeiten Hand in Hand für den Patienten. Wir bilden gemeinsam das Fundament des Hauses. Je bröckeliger es wird, desto eher stürzt das Haus ein. Und in den Trümmern befindet sich, unverschuldet, der Patient.“
Von Sabine Risch
LN 28.4.2021