Experimente in der Arbeitsorganisation

Der Druck auf die Belegschaft, der Leistungsdruck auf jeden Einzelnen, laßt sich nicht beliebig steigern.

Es gibt die rein physischen Grenzen der Belastbarkeit. Kollegen werden krank unter diesen Bedingungen, gehen förmlich kaputt. Ansonsten würde man vermuten, irgendwann ist der Punkt erreicht, daß es zu einem Aufstand der Beschäftigten kommt. Doch im UKSH sind wir scheinbar von einer kollektiven Gegenwehr weit entfernt. Es kommt zu einer Abstimmung mit den Füßen. Man haut in den Sack. Man unterschreibt dann bei einem Leiharbeitsunternehmen und ist damit zumindest ein Stück Verantwortung los, oder man wechselt in einen anderen Beruf. Es ist eine Tatsache, daß kaum jemand es in diesem Beruf bis zur Rente durchhält.

Die Strategen der Arbeitsorganisation, deren einziges Ziel die Profitsteigerung ist, suchen nach Alternativen. Im untenstehenden Beitrag wird über die Versuche berichtet, nach willigem Personal in Osteuropa, Südeuropa, den Philippinen oder Nordafrika zu suchen.

Jetzt wird von weiteren Experimenten berichtet: Man versucht Personal zu halten, indem man auf die Doppelbelastung von Familie und Beruf eingeht:

Die Interessen des UKSH und die seiner Beschäftigten in Balance zu bringen, ist ein fortwährender Prozess, dem wir uns auch künftig gerne stellen wollen“, sagt Prof. Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des UKSH.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bildet einen festen Bestandteil der Unternehmenskultur des UKSH. 2014 wurde im Dezernat Personal extra ein Bereich „Beruf und Familie“ eingerichtet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bereichs kümmern sich um alle Belange rund um das Thema und stehen den Beschäftigten unterstützend zur Seite.

Die Kitas des UKSH mit ihren Öffnungszeiten von 5.45 Uhr bis 21 Uhr und ihrer Betreuung in Ferienzeiten und bei Notfällen sind bundesweit ein Vorbild. Mit der „Perspektive Wiedereinstieg“ bietet das UKSH allen Beschäftigten nach Mutterschutz, Elternzeit oder Sonderurlaub Workshops, um den Einstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Flexible Arbeitszeiten bis hin zum Home-Office und ein zentrales Pflegecenter dienen dazu, den familiären Bedürfnissen der Beschäftigten so weit wie möglich entgegen zu kommen. Weitere Maßnahmen wie die Teilnahme an dem Bundesprogramm KitaPlus sind derzeit in Umsetzung.

Es wird analytisch vorgangen, um die Arbeitskraft noch effektiver nutzen zu können und

entwickelt systematisch das betriebsindividuelle Potenzial

mit Hilfe eines neuoliberalen Thinktanks, der Hertie-Stiftung berufundfamilie gGmbH. Das Bundesfamilienministerium fördert das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds.

Diese Effizienenzsteigerung wurde nun auch feierlich ausgezeichnet.

Bei der Suche nach weiteren Methoden, die Pflege noch profitabler zu machen, zeigt man sich überaus erfinderisch:

Deutschlandpremiere UKSH-Kinderklinik II setzt Roboter ein

Als erstes Kinderkrankenhaus in Deutschland setzt die Kieler UKSH-Klinik für Kinder- und Jugendmedizin II einen humanoiden Roboter ein.

KN 14.07.2017

Ein süßer UKSH Roboter und Krankenhausclowns mit Krawatte.

5 Gedanken zu „Experimente in der Arbeitsorganisation“

  1. Die Situation wird offenbar immer katastrophaler und die Klinikleitung immer verzweifelter:

    Universitätsklinikum Kiel
    Azubis übernehmen die Station

    Dass sie einen verantwortungsvollen Beruf erlernt, das weiß Sina Lenz natürlich. Doch wie viele Dinge man als Pflegekraft im Klinikalltag wirklich im Blick haben muss, das ist der 22-Jährigen erst jetzt klar geworden. Denn ihre Azubi-Klasse hat allein eine Station im Uni-Klinikum in Kiel „gewuppt“.

    KN, 10. September 2017

    Das Problem ist ja bereits, daß die Arbeit auf Station nicht nur zu viel Arbeit und Druck ohne angemessene Bezahlung bedeutet und gleichzeitg ein Übermaß an Verantwortung unter diesen unhaltbaren Bedingungen.

    Jetzt soll es zur Ausbildung gehören, daß man sich an das Übermaß an Verantwortung gewöhnt!?!

  2. UKSH Lübeck: Pillen aus dem Automaten

    Routiniert öffnet die pharmazeutisch-technische Assistentin Jenny Ottendorf den Tabletten-Roboter. Für Laien sieht er aus wie ein simpler Snack-Automat oder ein Kühlschrank. Doch der sogenannte Unit-Dose-Roboter ist weit mehr: Er macht die Apotheke des Lübecker Uni-Klinikums zu einer der modernsten deutschlandweit. Auf Station verschreibt der Arzt ein Medikament. Er schickt die Verschreibung per Computer an die Apotheke. Dort wird diese durch einen Apotheker noch einmal kontrolliert und dann mithilfe des Systems vollautomatisch verpackt und an die Station verschickt. „Natürlich braucht der Roboter ständig Nachschub“, sagt Ottendorf und schüttet eine Packung Schmerzpillen in eine Box.

    15.000 Pillentütchen pro Tag

    Der Roboter betreut 100 Patienten auf drei Stationen. Jeder bekommt seine Tabletten verpackt in kleinen Tütchen. Gelingt der Testlauf, soll das Unit-Dose-System bis Ende kommenden Jahres das ganze Krankenhaus versorgen. Das bedeutet 15.000 Pillen-Päckchen pro Tag. Im April soll das Pilotprojekt auch in Kiel starten. Im Moment kümmern sich drei pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) und zwei Apotheker um den Tabletten-Automaten.

    weiter

  3. Der Bruder des Bundesfinanzministers hat sich bewährt als zynischer neoliberaler Umstrukturierer des Gesundheitswesens. Was in Lübeck und Kiel durchsetzbar war, droht nun allen Unikliniken in Deutschland.

    Prof. Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), ist erneut einstimmig in den Vorstand des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands e.V. (VUD) gewählt worden.
    Der Verband vertritt die Interessen der Universitätsklinika und strebt bessere wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen für seine Mitglieder an.

    HL-live 14.5.2018

  4. Es ist ein lesenswerter Artikel zum Thema erschienen:

    Wie Deutschland sich an den Ressourcen anderer Länder bedient und wofür so ein Virus alles herhalten soll

    PFLEGEKRÄFTEIMPERIALISMUS IN ZEITEN VON CORONA

    Bekannt ist, dass Gesundheitsminister Spahn durch die Welt reist, um Pflegekräfte für den Dienst an deutschen Krankenhäusern zu gewinnen.

    Insbesondere auf dem Balkan (Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Albanien, Kosovo), aber auch die Phillipinien und Mexiko stehen im Focus.

    Da fragt sich doch, warum gibt es eigentlich nicht in Deutschland genug Pflegekräfte. Hat das vielleicht etwas mit den katastrophalen Arbeitsbedingungen – sprich immer weiter ansteigenden Arbeitsbelastungen – zu tun, auch mit der notorischen schlechten Entlohnung, worauf das Bündnis Krankenhaus statt Fabrik hinweist?(1)

    So gesehen würde die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte noch einmal die bescheidenen Sozial-und Lohnstandards unterlaufen, sind sie doch aus ihren Heimatländern noch Schlechteres gewohnt. Der Konkurrenzdruck würde ein trade-unionistisches Auftreten der heimischen Pflegekräfte aufgrund der nun erfolgenden Konkurrenz von aussen deutlich erschweren. Und darin liegt sicher eine wesentliche Kalkulation von Spahn. Das Märchen, ´es gebe hierzulande sozusagen naturwüchsig einfach viel zu wenig Interessenten für diesen Arbeitsbereich, muss entschieden zurückgewiesen werden. Das ist aufgrund politischer Kalkulationen herbeigeführt worden, nicht ungezielt eingetreten.

    Damit einhergehend wäre oder besser ist ein nicht gering einzuschätzendes Sparprogramm, wälzt man die nicht unerheblichen Ausbildungskosten doch auf die Herkunftsländer ab.

    Spahn rühmt sich dafür, dass das eine triple-win Situation wäre, da es eine Verpflichtung gebe, nur in diesen Ländern Pflegekräfte anzuwerben, die über einen Überschuss verfügen. Dieses ist nachweislich falsch.(2)

    Triple win: einmal für das Herkunftsland, welches arbeitslose Kräfte abgeben könne.

    weiterhin das Zielland, also Deutschland, welches freie Stellen besetzen könne

    und schliesslich für den/die Betroffene/n selbst.

    Die Reflexion – überwiegend in nationalen Kategorien laufend – verstellt, welche Auswirkungen/Nachteile diese vermeintliche für alle existierende Situation beispielsweise für die hier schon beschäftigten Pflegekräfte hat: objektiv die Funktion des Lohndrückers.

    Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt:

    „Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (DeFa) melden. Die DeFa kümmert sich um Anträge für Visa, Berufsanerkennung und Arbeitserlaubnis. Pflegekräfte aus dem Ausland sollen so binnen sechs Monaten in Deutschland arbeiten können. Das Saarland hat die DeFa in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gegründet und damit einen Beschluss aus der Konzertierten Aktion Pflege umgesetzt. Bereits jetzt bearbeitet die DeFa mehr als 4.000 Anträge auf Vermittlung von Pflegekräften.

    Die Bundesregierung wirbt Pflegekräfte nur in Ländern an, deren Bevölkerung im Schnitt sehr jung ist und die deutlich über ihren eigenen Bedarf ausbilden.“(3)

    Fatmir Brahimaj, Präsident der albanischen Ärztekammer, weiss, dass sein Land auf einem ungeschützten Arbeitsmarkt keine echte Chance hat: „Ich weiss nicht, wo ich eine Schatulle voll Gold finden kann, um dieses Phänomen zu stoppen“.(4)

    Das klingt nicht gerade begeistert und noch weniger danach, dass Albanien überflüssiges Pflegepersonal nach Deutschland weiterreicht.

    Bei dem von Minister Spahn geplanten Pflegebudget, das Anfang 2020 als neue Finanzierungsform eingeführt werden soll, hält die Krankenhausgesellschaft Sachsen mehr Geld für Arbeiten nötig, die von der Pflege auf andere Berufsgruppen übertragen wurden.

    Beispiele dafür sind Stationsapotheker, die Essenversorgung oder der Patiententransport. Spahns Vorhaben sieht vor, dass für solche Arbeiten bis zu drei Prozent des Pflegebudgets berücksichtigt werden könnten. Die Krankenhausgesellschaft Sachsen dringt hingegen auf eine Grössenordnung von sieben bis zehn Prozent.

    Sollten Arbeiten, die die Kliniken wegen Kapazitätsengpässen aus der Pflege ausgelagert haben, wieder (teilweise) dorthin zurückwandern, bräuchte es laut Klinikmanager Schüller mindestens zehn Prozent mehr Pflegekräfte.“

    Nochmal zu Triple win.

    Vereinfachung der Einreise Anwerbeprogramm der Bundesagentur für Arbeit. „Triple Win“ heisst es, weil drei Seiten gewinnen sollen: Deutschland, das Heimatland, der Bewerber.

    Und sie vereinfacht den Prozess massiv: Bei den deutschen Botschaften auf dem Westbalkan warten Arbeitsmigranten sonst bis zu ein Jahr auf einen Termin. Die Botschaften sind von den vielen Anfragen nach Arbeitsvisa überfordert. Mit Triple Win geht es leichter. Wartezeiten für Termine, so steht es auf der Botschaftsseite, gibt es mit dem Programm nicht. Alles soll schnell gehen. Und effektiv. Statt mehr als ein Jahr brauchen die Pflegekräfte bei Triple Win etwa ein halbes.

    Was sich in den letzten Jahren schon sowieso zu einem üblen Missstand in den Krankenhäusern entwickelt hat, da hinein wirkt nun der Corona Virus wie ein Brandbeschleuniger.

    Die Mittel dagegen sind in der Reihenfolge diese:

    In der Tagesschau treuzherzig (Herr Spahn) schauen, Botschaft, wir haben alles im Griff.
    Deshalb verdienen wir ganz viel Vertrauen.
    Dem völlig überlasteten Pflegepersonal eine Konkurrenztruppe aus dem Ausland zuführen, die sowieso mit (fast) allem zufrieden ist.
    Eine Ausbildungsinitative für diese Berufe in Deutschland, daran ist nicht gedacht. Das wäre auch ein Widerspruch zur Ökonomisierung des Krankenhauswesens, was ja oberste Priorität geniesst, aber als Ausbeutungstatsache nicht gern angesprochen wird.
    Schliesslich sei noch erwähnt, dass die wirtschaftlich dahinsiechenden Balkanländer mit jedem abziehenden Arzt, mit jeder abziehenden Krankenschwester jenseits der Wirkung auf das dortige Gesundheitswesen ein Loch in einen kleinen und bescheidenen Wirtschaftsaufschwung reissen.

    Aber auch heimisch ist das, was Spahn als Bekämpfung des Corona Virus ausgibt, etwas, was z.B. die Hamburger Krankenhausgesellschaft zur Verzweiflung treibt.

    Der Vorsitzende Jörn Wessel hält als Kritik an dem Eilgesetz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fest:

    „Eine erbsenzählerische, kleinkrämerische Erweiterung eines an sich schon dysfunktionalen Finanzierungssystems ist das Gegenteil von dem, was Krankenhäuser jetzt brauchen.“

    und: Die Krankenhäuser seien fassungslos über das Auseinanderklaffen politischer Versprechen und der vorgesehenen Umsetzung

    Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Katholische Krankenhausverband bezeichneten die Pläne als unzureichend, als „herbe Enttäuschung“ und als „fatalen politischen Fehler“.(5)

    Eines muss man Jens Spahn lassen, auch in der derzeitigen mehr als angespannten Katastrophen Situation geht es ihm darum, die Gewinnmaschine Krankenhaus, die ja über viele Jahre sukzessive eingerichtet wurde, nicht in Frage zu stellen, sondern als Priorität vorn an zu stellen und den Ärzten und Organisatoren des Krankenhauswesens mit diesem aparten Gesichtspunkt, der unrüttelbar an Nummer 1 gesetzt ist, das Leben schwer zu machen.

    Klaus Hecker

    Fussnoten:

    1. Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“

    2. Monitor vom 12.03.2020, Diese Monitorsendung möchte ich ausdrücklich empfehlen, sehr gut recherchiert, sehr aufklärerisch, bitte anschauen

    3. Pressemitteilungen des Bundesgesundheitsministerium

    4. Balkan soll beim deutschen Pflegenotstand helfen, DW, 01.12.2018

    5. Krankenhäuser fühlen sich von Spahn im Stich gelassen, Hamburger Abendblatt, 21.03.2020

    6. Zeit-online, 21.03.2020 AOL Mobile Mail

    https://www.untergrund-blättle.ch/politik/deutschland/corona-pflegekraefte-balkan-4552.html

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