Arbeitsrechtlicher Skandal an Uniklinik Lübeck

Der momentane Skandal verwundert nicht wirklich.  Jens Scholz wird als “Vordenker” gehandelt und hat das UKSH zu einer “Innovationsschmiede” der neoliberalen Gesundheitswirtschaft gemacht.
Der Klinikbetrieb kann nur auf Kooperation basierend für die Patienten und Beschäftigten funktionieren, doch er wird von Hierarchien geprägt. Das Durchregieren gehört zu Jens Scholz Führungsstil.

Die NDR Sendung Panorama berichtet:

Eine Herzchirurgin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) erhebt schwere Vorwürfe gegen die Leitung des Hauses. Vorstand und Personaldezernat hätten es versäumt, sie gegen die arbeitsrechtlich fragwürdigen Anfeindungen ihres Chefarztes in Schutz zu nehmen. Stattdessen habe die Leitung des UKSH den Chefarzt dabei unterstützt, sie aus ihrer Stellung zu drängen, obwohl ihr keinerlei Fehlverhalten habe angelastet werden können. Ein unanfechtbares Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein gibt ihr auf ganzer Linie Recht.

Die Herzchirurgin, in der Position einer geschäftsführenden Oberärztin, schildert ihre Erfahrungen in einem Interview mit dem NDR-Politikmagazin Panorama 3. “Alles war darauf ausgerichtet, mein Arbeitsverhältnis zu beenden. Und eben nicht nur mein Arbeitsverhältnis zu beenden, sondern meine Karriere kaputt zu machen”, so Dr. Doreen Richardt.

Ihre Kompetenzen seien drastisch eingeschränkt worden, als im April ein neuer Chefarzt der Herzchirurgie an das UKSH berufen wurde. Dieser habe sie kaum noch operieren lassen, ihr die Bereichsleitung für minimalinvasive Eingriffe am Herzen entzogen und ihr verboten, als Hochschullehrerin einzelne Medizinvorlesungen zu halten. In Gesprächen mit Vorstand und Personaldezernat sei ihr nahegelegt worden, dass sie das UKSH verlassen soll. Tariflich kann der Arbeitgeber der geschäftsführenden Oberärztin, die Mutter von fünf Kindern ist, nicht kündigen.

https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Arbeitsrechtlicher-Skandal-an-Uniklinik-Luebeck,uksh574.html

“Derzeit arbeitet die Herzchirurgin im Covid-19-Team auf einer Intensivstation des UKSH.”

Dafür einen Applaus vom Balkon!

5 Gedanken zu „Arbeitsrechtlicher Skandal an Uniklinik Lübeck“

  1. Der Ministerpräsident werde sich nicht äußern, erklärt sein Sprecher am Telefon. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein sei nicht zuständig.(…) Die “Personalangelegenheit” ist der skandalöse Rauswurf einer verdienten Oberärztin der Herzchirurgie, über den die NDR-Sendung Panorama 3 am 19. Mai erstmals berichtete. Mit der glänzenden Karriere von Dr. Doreen Richardt ging es plötzlich steil nach unten, als im April 2018 ein neuer Chefarzt die Führung der Herzchirurgie in Lübeck übernahm. Der neue Chef, Prof. Stephan Ensminger, kam mit einem Team von vier Ärzten aus Bad Oeynhausen.

    Offenbar sollten nach seiner Vorstellung angestammte Mitarbeiter ihm und seinen Leuten weichen. Einige gingen freiwillig. Aber Doreen Richardt, Mutter von fünf Kindern, wehrte sich. Gegen ihre Verdrängung aus dem OP, den Entzug der Bereichsleitung für minimalinvasive Eingriffe und das Verbot des Chefarztes, bestimmte Vorlesungen an der Uni zu halten, war sie zwar machtlos. Auch die “Freistellung” am 22. November 2019, bei der sie nach ihren Worten “wie bei einer Verhaftung” vom Gelände des Uniklinikums geführt worden sei, musste sie über sich ergehen lassen.

    Aber sie klagte vor Gericht und gewann in beiden Instanzen. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 6. Februar 2020 ist ein Paukenschlag, die Richter sprechen klare Worte: Das Klinikum habe die Oberärztin “ausgeschaltet”. Dabei habe es seine Macht “missbraucht”. Die Klägerin habe sich nichts “zu Schulden kommen lassen”. Die Spannungen mit dem neuen Chefarzt seien von ihr “nicht beeinflussbar” gewesen. Dieser habe sie “verdrängen” wollen. Der bloße “Wunsch” eines Chefarztes, eine unkündbare Mitarbeiterin loszuwerden, sei jedoch “nicht schutzwürdig”. Seine Behauptung, Dr. Richardt genüge “seinen fachlichen Ansprüchen” nicht, habe Ensminger durch keine konkreten Fakten untermauern können.

    Besonders schlecht kommt in dem Urteil der Vorstand des Uniklinikums weg. Die Unterschrift des Vorstandsvorsitzenden Prof. Jens Scholz, Bruder des Bundesfinanzministers und Vizekanzlers, steht unter dem als rechtswidrig erkannten Bescheid über die “Freistellung” von Dr. Richardt.

  2. Hier in der Kommentarspalte sollte auf weitere Textpassagen aus obigem Bericht speziell hingewiesen werden:

    Besonders schlecht kommt in dem Urteil der Vorstand des Uniklinikums weg. Die Unterschrift des Vorstandsvorsitzenden Prof. Jens Scholz, Bruder des Bundesfinanzministers und Vizekanzlers, steht unter dem als rechtswidrig erkannten Bescheid über die “Freistellung” von Dr. Richardt. Die Klinikleitung habe es versäumt, für den durch die Bestellung des neuen Teams um Prof. Ensminger entstehenden Personalüberhang in der Herzchirurgie rechtzeitig eine Lösung zu finden, so die Richter. Gegenüber dem NDR bekräftigte Gerichtssprecher Gregor Steidle, der Klinikvorstand hätte sich in dem Konflikt schützend vor die Oberärztin stellen sollen. Das habe er aber nicht getan.


    Der Fisch stinkt vom Kopf her!

    Kollegen zeigen eine klare Haltung:

    Das Thema bewegt die Fachschaft Medizin und Gesundheit am Campus Lübeck ebenso wie Klinikärzte in ganz Deutschland. Der Marburger Bund kritisierte das Vorgehen des UKSH. Der Ärztinnenbund kündigte an, Doreen Richardt im Herbst den Preis der “Mutigen Löwin” außerordentlich zu verleihen. “Doreen Richardt ist eine vorbildliche Ärztin, hochqualifiziert als Herzchirurgin, mit bester wissenschaftlicher, fachlicher und persönlicher Reputation”, heißt es in der Begründung. “Es wurde der gezielte Versuch unternommen, sie beruflich kalt zu stellen und ihre Karriere zu vernichten”, schreibt der Ärztinnenbund weiter. Aber Richardt habe “sich von dem System nicht unterkriegen lassen”.

    Der NDR zeigt sich in seinem Bericht kritischer, als es die Lübecker Nachrichten es je könnten:

    Der Fall Richardt wirft ein Schlaglicht auf die hierarchischen Verhältnisse in deutschen Krankenhäusern. Chefärzte können oft weiter schalten und walten nach eigenem Gutdünken, als wären sie ein Relikt aus wilhelminischer Zeit. Ihr Personal ähnelt Untertanen, die, wenn es gefällig erscheint, höflich in die eigene Verbannung einwilligen sollen, wie es von Dr. Richardt zunächst erwartet wurde.

    Besonders erwähnenswert ist auch die Soldiarität von Studierenden:

    Die Medizinstudenten in Lübeck haben eine Stellungnahme veröffentlicht. “Zu einer Situation, wie sie Dr. Richardt erfahren hat, darf es nie wieder kommen”, ist darin zu lesen. “Zu keinem anderen Thema haben sich so viele Studierende bei uns gemeldet”, erzählt die Fachschaftsvorsitzende Frederike Heiden im Interview mit Panorama 3. Die Fachschaft organisierte nach der NDR-Berichterstattung eine Umfrage, an der rund 1.000 von 2.000 Studierenden teilnahmen. Ergebnis: Das Vertrauen des medizinischen Nachwuchses in die Leitung des UKSH ist rapide gesunken. Auf einer Skala von 0 (“kein Vertrauen”) bis 10 (“unerschütterliches Vertrauen”) erhielt der Vorstand einen Wert von 2,2.

  3. Die Problematik läßt sich knapp zusammenfassen: Die Klinikleitung ist wenig interessiert an einem guten Arbeitsklima, und die Unterordnung unter Hierarchien scheint wichtiger zu sein, als die Verbesserung der Pflege. Das Management setzt auf autoritäre, statt auf demokratische und kollegiale Arbeitsstrukturen:

    Prof. Dr. Stephan Ensminger kam mit drei Oberärzten seines Vertrauens und einem Assistenzarzt. Herzchirurg Ensminger ist Absolvent der Eliteuniversitäten Oxford und Harvard. Er habe von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, wer der Herr im Hause sei, berichtet Oberärztin Richardt im Interview mit Panorama 3. Das neue Team habe den OP praktisch allein in Beschlag genommen. “Wir wurden entmachtet”, sagt Richardt.

    Doreen Richardt schildert die Zeit nach dem Dienstantritt Ensmingers so: “Es gab dieses neue Team und dieses alte Team und das alte Team wurde letztlich ausgegrenzt. Es gab keine Transparenz. Es gab keine Kommunikation.”

    Am bittersten sei für sie gewesen, dass Vorstand und Personaldezernat die Pläne des Chefarztes unterstützt hätten. Sie habe sich mit der Erkenntnis anfreunden müssen, “dass ich keinen Schutz bekomme.

    In dem Bericht finden sich klare Worte über das Vorgehen:

    …wird das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein später deutliche Worte finden. Der neue Chefarzt habe die Oberärztin “verdrängen” wollen. Die Klinikleitung habe die eigene Macht “missbraucht”…

    Das Urteil ist eine Bloßstellung. Es kritisiert den Vorstand und weist einen despotisch auftretenden Chefarzt in die Schranken. Prof. Dr. Stephan Ensminger hat “Material” gegen die unliebsame Oberärztin sammeln wollen. Am Ende hat er eine Menge Material gegen sich selbst und den Klinikvorstand gesammelt.

    Alles Zitate aus dem NDR Bericht vom 19.5.2020

    Es lohnt, den kompletten Bericht zu lesen.

  4. Es sei erwähnt, daß Doreen Richardt Solidariät aus der Ärzteschaft erhält:

    Doreen Richardt: „Mutige Löwin“ des Ärztinnenbundes

    PD Dr. med. Doreen Richardt (50), Herzchirurgin aus Lübeck, erhielt in diesem Jahr – außerhalb des normalen Vergabeturnus – die Auszeichnung „Mutige Löwin“ des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. (DÄB). Sie habe sich engagiert für gerechte Arbeitsbedingungen eingesetzt, erklärte die Stifterin des Preises, Elke Burghard.

    Zum Hintergrund: Richardt hatte Missstände in der Personalführung öffentlich gemacht, nachdem sie vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein aufgrund eines Chefwechsels freigestellt worden war. Sie klagte und bekam Recht.

    „Unsere Kollegin hat in dankenswerter Weise gegen die Praxis angekämpft, dass bestehende Arbeitsverträge sofort außer Kraft gesetzt werden, wenn ein neuer Chef berufen wird“, sagte Burghard. Die Präsidentin des DÄB, Dr. med. Christiane Groß, betonte, dass es nicht ans Selbstverständliche grenzen dürfe, dass oberärztliche Stellen freiwillig aufgegeben werden, damit der neue Chef eigene Mitarbeiter einbringen könne.

    Richardt zeigte sich überwältigt von der Auszeichnung. Daraus spreche die Solidarität unter Ärztinnen. „Es freut mich, dass die ergangenen Urteile Effekte zeigen“, sagte sie. „An Universitäten gibt es nun Bestrebungen, die Berufungsverfahren zu ändern. Neben der fachlichen Expertise soll zwingend auch die Führungsqualifikation in die Beurteilung einfließen.“

    Die Herzchirurgin ist Vorsitzende der DÄB-Regionalgruppe Lübeck, Beisitzerin im Vorstand der Ärztekammer Schleswig-Holstein sowie Mutter von fünf Kindern.

    https://www.aerzteblatt.de/archiv/217102/Doreen-Richardt-Mutige-Loewin-des-Aerztinnenbundes

  5. Mutmacherin
    Doreen Richardt – mutig gegen Mobbing

    Finanztest stellt Menschen vor, die großen Firmen oder Behörden die Stirn bieten und so die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Doreen Richardt aus Lübeck, die sich erfolg­reich gegen ihren Arbeit­geber gewehrt hat.

    Ein Jahr voller Schikane

    Fast hätte Doreen Richardts Karriere an der Universitäts­klinik so geendet: Der Personalleiter und ihr Chef lesen ihre Frei­stellung vor, sie muss ihre Arzt­kleidung ablegen, Sicher­heits­männer leiten sie vom Campus. „Das war der Moment, in dem ich merkte, dass ich mich mit juristischen Mitteln gegen die Klinik­leitung wehren muss“, sagt die Herz­chirurgin. Der Frei­stellung voran­gegangen war ein Jahr voller Schikane und Anfeindungen.

    Ein neuer Chef kommt, alles wird anders

    Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Doreen Richardt an der Universitäts­klinik Schleswig-Holstein (UKSH) auf dem Campus Lübeck. „Ich habe die Uniklinik immer als einen sehr angenehmen Arbeit­geber erlebt“, erinnert sich die 50-Jährige. Das änderte sich schlag­artig, als ihr bisheriger Chef 2018 in den Ruhe­stand ging und ein neuer Chef­arzt die Leitung der Herz­chirurgie über­nahm. Mit ihm wechselten vier weitere Ärzte nach Lübeck. Dem bisherigen Team wurde vermittelt, dass es nicht mehr erwünscht ist. Die Ober­ärztin und ihre alten Chirurgenkollegen operierten nur noch selten, im OP waren jetzt haupt­sächlich die Neuen aktiv. Dann entzog ihr der neue Chef die Bereichs­leitung für minimalinvasive Eingriffe und verbot ihr, Vorlesungen zu halten.

    Sie bleibt und wird krank

    Richardt war nicht die Einzige, die unter der neuen Situation litt. Einige Kollegen wechselten wegen der schlechten Stimmung an andere Kliniken. Die Mutter von fünf Kindern aber blieb – und wurde krank. Zum ersten Mal in ihrem Berufs­leben fiel sie länger aus. Im November 2019, am ersten Tag nach ihrer Abwesenheit kam es zu der Szene, bei der ihr die Frei­stellung präsentiert wurde. Später wurde ihr ein Aufhebungs­vertrag zuge­schickt. Kündigen konnte das UKSH ihr nicht. Die Ärztin hatte sich nie etwas zuschulden kommen lassen.

    Per Eilantrag zurück in den Job

    Gegen die Frei­stellung ging Doreen Richardt per Eilantrag beim Arbeits­gericht Lübeck vor. Das entschied, dass sie ihre Stelle umge­hend zurück­bekommt. Das UKSH ging vor dem Landes­arbeits­gericht in Berufung und verlor abermals. Im Urteil steht, die Klinik hatte kein Recht und keinen Grund, eine „unkünd­bare Mitarbeiterin frist­los frei­zustellen“. Ein echtes Happy End gibt es trotz des juristischen Sieges nicht, das Verhältnis zwischen Chef und Chirurgin bleibt schwierig.

    Ärztinnenbund verleiht Richardt den Ehren­preis

    Ein Kompromiss musste her: Richardt arbeitet jetzt als Fach­ärztin in einem neuen Team und beendet ihre Ausbildung als Gefäß­chirurgin. Ihr Gehalt als Ober­ärztin erhält sie weiterhin. Im Oktober 2020 erhielt sie den Ehren­preis „Mutige Löwin“ des Deutschen Ärztinnenbunds. Mobbing gegen Medizine­rinnen sei kein Einzel­fall, hieß es in der Laudatio, Doreen Richardts Verhalten sei ein Beispiel für andere.

    https://www.test.de/Mutmacherin-Doreen-Richardt-mutig-gegen-Mobbing-5737260-0/

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