Buchempfehlung!

Der geschätzte Verlag Die Buchmacherei hat ein aktuelles Buch herausgebracht mit zornigen Stimmen aus dem Gesundheitswesen.

Markt zerfrisst Gesundheitswesen! – Stimmen aus einem zornigen Bereich

KollegInnen aus den Krankenhäusern, GewerkschafterInnen und Mitglieder der Bündnisse gegen die Profite mit der Gesundheit berichten aus ihren Arbeitsbereichen. Sie geben einen tiefen Einblick in haarsträubende Zustände, zu denen die Unterwerfung des Gesundheitswesens unter die Marktzwänge geführt hat. Personalnot, Lohndumping, Tempozwang und Operationenwettlauf schnüren der Gesundheit von Personal und Patienten die Luft ab. Zentraler Hebel zur Durchsetzung des ökonomischen Drucks ist die Finanzierung über Fallpauschalen. Corona hat uns die Zustände in den Krankenhäusern wie unter einer Lupe gezeigt.
Die Beschäftigten des Gesundheitswesens haben vor einigen Jahren begonnen, sich massiv zu wehren. Volksentscheide gegen Gewinnprinzip und Personalnot sind trotz großer Zustimmung gestoppt worden. Die Beschäftigten und Teile der Öffentlichkeit nehmen neuen Anlauf, eine Befreiung der Gesundheit vom Profit durchzusetzen.

Aus dem Interview mit Andreas Weidner, Intensivkrankenpfleger am Universitätsklinikum Jena

“…Generell haben die Pflegekräfte in den postoperativen Intensivstationen morgens erst einmal den Druck, Patienten, denen es schon gut genug geht, zu verlegen. Um 6 Uhr fängt unser Dienst an, und wenn man die ersten Patienten schon um 7:30 oder 8 Uhr verlegen muss, kommt es schon manchmal vor, dass keiner von ihnen frühstückt, oder man muss es mitgeben.

Die Verlegungen werden dann angeordnet?

Ja genau. Die Verlegungen werden gemacht nach der Bettenbesprechung. So gegen 8 Uhr gehen die Chefärzte die Patienten durch, machen die Visite und sagen, der Patient kann auf die Normalstation oder auf die IMC (Intermediate-Care-Station), wo noch eine intensivere Betreuung gewährleistet ist als auf den Normalstationen. Das muss dann relativ schnell passieren, weil die ersten Patienten dann schon im OP sind. Man fängt ja morgens um ca. 7 Uhr an, die Patienten in den OP abzurufen, da sind die Intensivbetten noch nicht mal frei. Man hat dann immer diesen Druck, dass ein neuer Patient sozusagen schon hinter dem Bett steht. Die Intensivstation hat ja morgens um sechs Uhr eine bestimmte Anzahl von Patienten, und von denen können meinetwegen fünf verlegt werden – dann stehen aber manchmal sechs oder sieben Leute auf dem OP-Plan. Dann muss man schauen, wen kann man auf die IMC-Station verlegen? Wenn jemand operiert werden muss, wird er ja auf der Normalstation aufgenommen und vorbereitet, und zur geplanten OP-Zeit wird er in den OP gebracht – man geht dann aber davon aus, dass auf der Intensivstation der Bettenkoordinator dafür sorgt, dass für die Patienten, die aus der OP kommen, die Betten frei sind. Da kommt man oftmals in ziemliche Bredouille. Wenn die Patienten dann doch nicht so stabil sind, muss man sie womöglich noch einen Tag länger auf der Intensivstation lassen – da werden dann OPs auch wieder abgesagt. Für die Patienten, die auf eine OP warten, ist das natürlich absolut doof. Es gab auch schon Patienten, die lagen schon auf dem OP-Tisch und warteten auf die Narkose, und dann hat man gesagt „ Stopp, wir haben kein Intensivbett“.  Die mussten dann wieder rausgefahren werden. Das passiert nicht nur im Klinikum, das passiert leider überall.

Kommt es auch vor, dass man jemanden verlegt, von dem man nicht sicher ist, ob der das auch verträgt?

Genau, das ist korrekt. Man macht es dann meistens so, dass man solche Patienten auf die Intermediate-Care-Station, also die Zwischenstation zwischen uns und der Normalstation, verlegt. Man hat aber aufgrund der Erfahrung manchmal dennoch bei einigen Patienten ein schlechtes Bauchgefühl, das einen drückt  –  und auf der IMC-Station haben die einen wesentlich schlechteren Stellenschlüssel, bis zu 1:6, also eine Pflegefachkraft pflegt bis zu 6 Patienten. Das bedeutet auch, dass entsprechend weniger Zeit pro Patient vorhanden ist. Studien belegen, dass die sogenannte Nurse-Patient-Ratio entscheidend ist für Komplikationen und die Überlebenswahrscheinlichkeit.

Wann hast Du angefangen, Dich gegen den Druck zu wehren?

Interessieren tue ich mich dafür schon länger, Jena hat mir sozusagen die Augen geöffnet. Ich hatte das Gefühl, in so eine Mühle reinzukommen. Vielleicht hängt das auch mit dem steigenden Alter zusammen, weil man dann merkt, dass man viele Dinge nicht mehr so schafft. Ich werde nächstes Jahr 40, und ich merke schon, wie der Arbeitsdruck bzw. auch der Arbeitsaufwand an mir zehrt. Die Möglichkeiten, wie man die Patienten behandeln kann, werden immer komplexer, und mit dem Personal, das man hat, muss man das irgendwie stemmen. Da merkt man es schon, dass man in dem Tempo nicht mehr alles packt und muss sich irgendwie dagegen sträuben, man hat einen inneren Antrieb dazu. Mich regelrecht dagegen zu wehren, das kam erst im letztem Jahr, als wir den Tarifvertrag Entlastung erkämpft haben am Universitätsklinikum, da ist so mein Feuer entbrannt. Weil man gemerkt hat, dass es doch viele Leute gibt, die das so nicht mehr mittragen wollen, und bundesweit gibt es ja auch viele Bewegungen momentan, die nicht einfach so tatenlos zuschauen. Ich denke, wenn man möchte, kann man noch einige Leute mehr mobilisieren, weil wir alle dasselbe Problem haben.”

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