Operationen abgesagt – kein Personal!

Für die Beschäftigten ist das alles nicht neu. Der Versuch, die Profitabilität über alles andere zu stellen, hat die Pflege an den Rand des Menschenmöglichen gebracht. Wir wundern uns nicht, wenn so manches über den Rand fällt, wenn erträgliche Arbeitsbedingungen verlorengehen und die Pflege selbst nicht mehr möglich ist. Jetzt erst wird diese Katastrophe medial ein Thema:

Operationen abgesagt – kein Personal!

Operationen abgesagt, ganze Stationen geschlossen. Grund: Personalmangel. „Es tut uns sehr leid, dass Eingriffe abgesagt werden müssen. Wir sind aber nicht allein mit dem Problem: Es gibt in Deutschland keinen Personalmarkt für Pflegekräfte mehr.“ sagt Oliver Grieve, Sprecher des UKSH.

Kiel. Seit Mai müssen immer wieder Betten oder eine ganze Station im Universitätsklinikum Kiel geschlossen werden, weil es nicht genug Pflegepersonal gibt. Aktuell sind von den knapp 1200 Betten eine chirurgische Station mit 25 Betten im Operationszentrum und zehn Betten in der Klinik für Innere Medizin dicht, bestätigt Kliniksprecher Oliver Grieve.

Tatsächlich sprechen einige Klinikchefs schon von einer neuen Eskalationsstufe. Zwar habe es in den vergangenen Jahren auch in Schleswig-Holstein immer mal wieder Absagen von Operationen, auch Schließungen von Stationen gegeben. Doch das sei nur von kurzer Dauer und meist durch Krankheitswellen bedingt gewesen. Im UKSH besteht das Problem jetzt aber über Wochen und ist vor allem der Tatsache geschuldet,  dass vakante Stellen nicht mehr besetzt werden können. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit dauert es zurzeit im Schnitt 140 Tage, bis eine Stelle in der Krankenpflege wieder besetzt ist. Tendenz steigend. Am dringlichsten fehlt Personal für die Intensiv- und Notfallmedizin, OP, Dialyse und Kinderheilkunde.

Fachkräftemangel verändert die Planung

„Wir wussten, dass das Personalproblem kommt, aber dass sich die Situation so schnell verschärft, damit hatte ich nicht gerechnet. Und sie wird sich weiter beschleunigen“, ist der Geschäftsführer des Friedrich-Ebert-Krankenhauses in Neumünster, Alfred von Dollen, überzeugt. „Das Gesicht der Krankenhäuser im Land wird sich schneller durch den Fachkräftemangel verändern als durch die Krankenhausplanung der Politik.“ In Neumünster muss man zwar keine OPs absagen. Aber auch dort können zeitweise 20 Stellen in der Pflege nicht besetzt werden, musste schon einmal eine Intensivstation gesperrt werden. Kein Einzelfall im Land, sagt Bernd Krämer, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft.

 „Jahrelang haben falsche, rein ökonomische Prioritäten haben den Beruf ausbluten lassen“, sagt Franz Wagner, Bundesgeschäftsführer beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). Immer mehr Pflegekräfte seien nicht bereit, diese Arbeitsbedingungen länger hinzunehmen.

KN 18.07.2017

 

Das ist keineswegs eine Besonderheit des UKSH, das Gesundheitwesen wird flächendeckend neoliberal zugrunde gerichtet. Eine Vergleichbare Meldung kam dieser Tage aus Hannover:

Nordstadtkrankenhaus Notaufnahme muss wegen Personalmangels schließen

Erneut ist es am hannoverschen Nordstadtkrankenhaus zu einem erheblichen Engpass bei der Versorgung von Notfallpatienten gekommen. Das gesamte Wochenende über war die Notaufnahme der Unfallchirurgie bei der Regions-Leitstelle offiziell abgemeldet

Hannoversche Allgemeine 17.07.2017

Da Personal und Patienten Opfer dieser verfehlten Politik sind, gilt es sich Gedanken zu machen, ob es nicht möglich ist, einen gemeinsamen Widerstand von Patienten und Pflegenden zu organisieren.

7 Gedanken zu „Operationen abgesagt – kein Personal!“

  1. Es handelt sich um ein flächendeckendes Problem. Es ist kein „Ausrutscher“ und kein Einzelfall, sondern das Resultat neoliberaler Politik. Das Profitstreben als oberste Priorität, untergräbt die Grundlagen eines funktionierenden Gesundheitssystems.

    In Lübeck sind die Auswirkungungen dieser Politik ähnlich wie in Kiel:

    Lübeck/Kiel Keine Pflegekräfte:
    Klinik muss Operationen absagen

    Der Personalmangel in Schleswig-Holsteins Krankenhäusern wird immer akuter. „Wir wissen von abgesagten Operationen und zeitweise geschlossenen Stationen“, sagt Stefan Schwark vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). Viele Stellen für Pflegekräfte seien unbesetzt.

    Lübeck/Kiel. Schwark: „Wenn eine Position frei wird, vergehen im Schnitt 140 Tage, bis ein Nachfolger gefunden ist.“

    Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) ist an seinen Standorten Lübeck und Kiel ebenfalls von dieser Entwicklung betroffen. „Bislang mussten zehn Betten von 1100 am Campus Lübeck für wenige Tage gesperrt werden“, informiert Klinik-Sprecher Oliver Grieve. In Kiel sei eine Station vorsorglich geschlossen worden. In Einzelfällen mussten Operationen „wegen des hohen Aufkommens an Notfallpatienten“ und aufgrund des Pflegekräftemangels verschoben werden, so Grieve.

    Auch bei der Lübecker Sana-Klinik (430 Betten) gibt es Probleme. „Es kommt vor, dass wir auf der Intensivstation nicht alle Betten belegen können, weil Personal fehlt“, räumt Sana-Sprecherin Sibylle Schulze ein. Wenn bei bestimmten Operationen für alle Fälle auch ein Intensiv-Bett vorgehalten werden müsse, könne es daher genauso zu Terminverschiebungen kommen. Derzeit seien in Lübeck 15 der insgesamt 270 Vollzeitstellen nicht besetzt. Erst im September können Absolventen der klinikeigenen Pflegeschule nachrücken.

    Bei den Asklepios-Kliniken könnten bundesweit 1000 Mitarbeiter sofort eingestellt werden, erklärt Mathias Eberenz, Sprecher der Klinikgruppe. Für das 170-Betten-Haus in Bad Oldesloe (Kreis Stormarn), mit über 300 Mitarbeitern sehe er derzeit zwar keinen Engpass. „Ich kann aber nicht ausschließen, dass es dazu kommt.“ Unerwartete Krankheitswellen könnten personell möglicherweise schwer gemeistert werden. „Zumal, wenn auch noch Mitarbeiter ausfallen.“

    http://www.ln-online.de/Nachrichten/Norddeutschland/Keine-Pflegekraefte-Klinik-muss-Operationen-absagen

    1. Immer mehr Krankenhäuser suchen vergeblich nach Pflegekräften. Besonders betroffen sind die Intensivstationen. Hier sind schon mehr als 3000 Stellen unbesetzt.

      Den Kliniken hierzulande fällt es immer schwerer, Pflegekräfte für Intensivstationen zu finden. Bundesweit seien dort inzwischen 3150 Stellen nicht besetzt, teilte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) am Dienstag mit. Bei der letzten Erhebung im Herbst 2016 klagte bereits gut jede zweite Klinik (53 Prozent) über Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung in der Intensivpflege. Von den großen Häusern hatten sogar mehr als 68 Prozent dieses Problem.

      Die Zahl der offenen Pflegestellen auf Intensivstationen habe deutlich zugenommen und werde weiter steigen, heißt es in einem zeitgleich vorgelegten Gutachten des Deutschen Krankenhausinstitutes.

      http://www.tagesspiegel.de/politik/pflegemisere-in-krankenhaeusern-zu-wenig-personal-fuer-intensivstationen/20105554.html

  2. Und weiter geht’s:

    Pflegekräftemangel
    Städtisches muss Stationen schließen

    Der Mangel an Pflegepersonal und hohe Krankenstände zwingen das Städtische Krankenhaus Kiel (SKK) zu drastischen Schritten: Zwei Stationen sind zurzeit geschlossen. „Das haben wir in dieser Ausprägung bisher nicht erlebt“, sagte am Freitag der Ärztliche Direktor des SKK, Dr. Andreas Hückstädt.

    http://www.kn-online.de/News/Nachrichten-aus-Kiel/Pflegekraeftemangel-Staedtisches-muss-Stationen-schliessen

    1. UKSH zahlt 2.000 Euro Prämie für einen Pfleger

      Die Gesellschaft wird immer älter. Das Problem: In der Krankenpflege herrscht Fachkräftemangel.

      Die Pflegesituation im Land spitzt sich weiter zu. Rund 4.000 Pflegekräfte fehlen laut der Gewerkschaft ver.di in schleswig-holsteinischen Krankenhäusern und Pflegeheimen. Bundesweit sind es mehr als 160.000. Experten warnen vor einem in den kommenden Jahren dramatisch ansteigenden Mangel an Pflegekräften. Die Suche von Kliniken und medizinischen Versorgungsdiensten nach geeignetem Personal ist unter diesen Voraussetzungen schwierig. Deshalb geht das Universitätskrankenhaus Schleswig-Holstein neue Wege, um qualifiziertes Personal zu finden.

      80 Pflegekräfte fehlen

      So erhalten Mitarbeiter eine Prämie von bis zu 2.000 Euro, wenn sie erfolgreich ausgebildete Schwestern, Pfleger, Assistenzpersonal oder auch Hebammen für das UKSH vermitteln. 1.000 Euro gibt es bei Dienstantritt des neuen Mitarbeiters, weiter 1.000 bei erfolgreich absolvierter Probezeit. Der Bedarf an Fachpersonal am UKSH ist groß. Derzeit sind nach Angaben der Klinik 80 von 3.600 Stellen im Pflegebereich unbesetzt. „Die Patientenzahlen in Kiel steigen derzeit stärker als andernorts“, sagte Klinik-Sprecher Oliver Grieve. Der Markt für Fachpersonal sei dagegen wie leer gefegt.

      UKSH zieht weitere Register

      Nach Klinik-Angaben hat das UKSH zuletzt rund 40 Kräfte im Ausland angeworben: in Albanien, Spanien und sogar auf den Philippinen und in Brasilien. Auch mit dem Wechsel vom hauseigenen Tarif in den Tarifvertrag der Länder – und damit einer besseren Vergütung – will das UKSH im Wettbewerb der Krankenhäuser punkten. Flexible Arbeitszeiten, ein betriebseigener Kindergarten mit langen Öffnungszeiten und soziale Regelungen kommen hinzu. Übertarifliche Gehälter in der Pflege darf das UKSH laut Grieve aber nicht anbieten.

      NDR 18.08.2017

  3. „Auch mit dem Wechsel vom hauseigenen Tarif in den Tarifvertrag der Länder – und damit einer besseren Vergütung – will das UKSH im Wettbewerb der Krankenhäuser punkten.“

    Wurde mit dem Wechsel in den Tarifvertrag der Länder nicht dafür gesorgt, dass Arbeitskampfnahmen abgeblasen werden mussten, durch die wesentlich bessere Bedingungen hätten erkämpft werden können? Das UKSH war auf einmal nicht mehr Tarifpartner. Aber als Lockmittel für Pflegekräfte kann man diesen Wechsel im nachhinein natürlich auch interpretieren.

    1. Ein Kommentar aus dem Deutschlandfunnk:

      Pflegenotstand
      „Zehntausende haben den Beruf verlassen“

      Der Präsident des Deutschen Pflegerates, Franz Wagner, verweist angesichts der Debatte um einen Pflegenotstand auf kurzfristig mögliche Lösungen. Es gebe zehntausende ausgebildete Pflegekräfte, die den Beruf aufgrund der hohen Belastung nicht mehr ausübten, sagte Wagner im Dlf. Die Arbeitsbedingungen müssten verbessert werden.

      DLF 19.9.2017

  4. Meilenweit entfernt von dänischen Verhältnissen

    Die Regierung verspricht 13.000 neue Stellen in der Pflege. Um so gut zu werden wie Dänemark, bräuchte man hierzulande jedoch eine halbe Million zusätzliche Pflegekräfte.

    Zeit 28.5.2018

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