Kommentar im neuen Jahr

Im Rückblick war ja nicht nur Corona die Spaßbremse des Jahres. Der Arbeitsalltag an den Kliniken war auch nicht besser. Die Pandemie war lange genug da, um daraus zu lernen, doch nichts wurde im Bereich der Pflege verbessert, obwohl von allen Seiten zu hören war, man habe nun die Wichtigkeit der Pflegearbeit erkannt.  Es ist allen bekannt, daß die Pflegenden am Limit sind, so nicht mehr weitermachen können und wollen. Doch der gerade getätigte Tarifabschluß bedeutet einen Reallohnverlust, die Erhöhung deckt noch nicht einmal die Preissteigerungen.

Dabei gab es im gesamten öffentlichen Dienst einen erstaunlichen Druck von unten und eine außergewöhnliche Streikbereitschaft. In den Kliniken hat sich eine Bewegung mit besonderer Dynamik entwickelt (insbesondere in Berlin) und die Proteste genossen Sympathie und Unterstützung der Öffentlichkeit.

Für diesen mageren Abschluß gibt es keinerlei Rechtfertigung. Er ist nicht das, wofür die Kolleg:innen gekämpft haben und es gab keinerlei Grund, vor der Arbeitgeberseite einzuknicken. Dem Gesundheitswesen sind bereits vor Corona die Beschäftigten weggelaufen. Es wird jetzt nicht besser. Die desaströse Personalsituation wird sich durch diesen Tarifabschluß weiter verschlimmern. Der enorme Krankenstand ist ein Ergebnis der auf Station herrschenden Zustände.

Ein kurzer Blick zurück: Die UKSH Belegschaft hat schon lange Grund zur Klage, doch ihre Versuche, etwas zu verändern, zeigten nur begrenzten Erfolg. Viele suchen nach individuellen Auswegen, wechseln die Arbeitsstelle, manchmal auch in einen branchenfremden Beruf. Die Spaltung durch Outsourcing machte den Zusammenhalt nicht leichter. Weil Verdi sich nicht angemessen gegen die Ausgliederungen im Servicebereich gestellt hat, gründeten von Verdi enttäuschte Kolleg:innen vor gut zwölf Jahren  die Gewerkschaft der Servicekräfte GDS.

Der Pflegebereich dümpelte vor sich hin. Wenn man Kolleg:innen angesprochen hat, ob man sich nicht mal zusammensetzen sollte, um Verbesserungen zu fordern, lautete die Antwort meist, “ihr habt ja recht, aber nach der Arbeit brauche ich meine Ruhe und kann mich nicht noch engagieren.” Der offene Treff von Verdi mit Kaffee und Kuchen blieb auf einen recht überschaubaren Kreis begrenzt. Als Verdi Anfang 2020 Organizer einsetzte, kam überraschend Schwung in die Bude und es gab beeindruckende Demonstrationen, bei denen sich die Auszubildenden besonders hervortaten. Die Dynamik dieses Kampfes und der unerwartete Druck der Kollegen lief dann jedoch ins Leere. 97,54% hatten sich in einer Urabstimmung für einen unbefristeten Streik ausgesprochen, doch Verdi hat etwas mit dem Arbeitgeber ausgehandelt und alles weitere verlief sich im Ungefähren wegen Corona.

Ein Jahr später organisierte die GDS Arbeitskampfmaßnahmen für die Servicekräfte an den Universitätskliniken. Der Arbeitskampf war beeindruckend. Lautstark und kämpferisch zeigten die outgesourcten Kolleg:innen, daß sie die prekären Arbeitsbedingungen nicht hinnehmen wollten. Auch das Ergebnis am Ende der Streiks konnte sich sehen lassen. Doch die Laufzeit des Tarifvertrags über 3 Jahre ist kritisierenswert, denn es bedeutet ein Streikverbot für 3 Jahre. Es sollte klar sein, daß man am UKSH nicht darauf hoffen kann, daß eine Verbesserung der Arbeitssituation von selbst eintritt, sondern man muß dafür schon seinen Willen und seine Kampfkraft zeigen, und das nicht nur alle 3 Jahre.

Doch der Kampf der Servicemitarbeiter hatte eine Strahlkraft über das UKSH hinaus: Am Städtischen Krankenhaus Kiel streikten die Servicekräfte ebenfalls, und auch sie zeigten sich kämpferisch.

Was nun?

Noch nie gab es im deutschen Pflegesektor so viel Unruhe wie jetzt. Und noch nie gab es eine derartige Sympathie und Unterstützung der Bevölkerung für protestierendes Klinikpersonal.

Wir glauben, wir sollten diese Situation nutzen und nicht darauf warten, daß man einmal im Jahr (oder nur alle drei Jahre) mal kurz auf uns hört. Wir sollten uns darauf konzentrieren, einen permanenten Druck aufzubauen, uns dabei nicht spalten zu lassen und auch Unterstützer mit ins Boot zu holen. Es kommt nicht darauf an, in welcher Gewerkschaft man organisiert ist oder ob man überhaupt gewerkschaftlich organisiert ist. Alle, die diese unhaltbaren Zustände verbessern wollen, sollten zusammenhalten. Es ist dabei auch egal ob man von der Klinik, einem Subunternehmen oder einem Personaldienstleister angestellt ist. Es gibt auch zahlreiche Beispiele, in denen die Zusammenarbeit mit Unterstützern von außen und von Patienten und Angeghörigen gut funktioniert hat.

Ein schönes Beispiel kam vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), wo die Kollegen vormachten, daß man nicht nur in Tarifverhandlungen kämpfen kann, sondern auch im Klinikalltag:

 

UKE: Protestaktion der Intensiv-Pflegekräfte geht weiter

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) geht mit einem alten Konflikt ins neue Jahr: Pflegekräfte der Intensivmedizin verlängern ihre Protestaktion. Sie wollen bis Ende Januar nicht mehr einspringen, wenn Kolleginnen und Kollegen krank werden.

Konkret geht es dabei um einen Betreuungsschlüssel von 1 zu 2 – also einer Pflegekraft für zwei Intensivpatienten.

NDR 30.12.2021

 

 

 

 

 

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