Profitstreben vs. Gesundheit

Wir haben jetzt auf der Titelseite der Kieler Nachrichten, was wir schon lange wußten: Beim Durchsetzen kostengünstigeren Wirtschaftens bleibt der Patient auf der Strecke:

UKSH in Kiel weist todkrankes Kind zurück

Einem lebensbedrohlich erkrankten Jungen aus Berlin bleibt die möglicherweise rettende Therapie verwehrt, weil auf der Kinderintensivstation des UKSH Betten und Pflegekräfte fehlen. Er liegt seit drei Monaten im künstlichen Koma, seine Heilungschancen sinken, je länger es andauert.

KN 7.11.2016

Einen Tag später blickt man etwas weiter und erwähnt mögliche Ursachen:

UKSH bleibt dabei: Kein Bett für Michelangelo

Die Bemühungen, den lebensbedrohlich erkrankten sechsjährigen Michelangelo, der auf der Kinderintensivstation der Berliner Charité im künstlichen Koma liegt, ins UKSH Kiel zu verlegen, gehen weiter.

Die Antwort des UKSH bleibt dieselbe wie bisher: Es sei kein Bett in der interdisziplinären Kinderintensivstation frei, die seit 2004 der Klinik für angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie untersteht. Die Dauer der Belegung eines Kinderintensivbettes liege nach den Worten von UKSH-Sprecher Oliver Grieve „2016 zwischen einem halben Tag und 178 Tagen“. Werde ein Bett frei, könne es „sofort“ neu vergeben werden. Hoffnungen für Michelangelo macht Grieve nicht. Über die Belegung entscheiden „die ärztlichen Leitungen der pädiatrischen Intensivstation“. Kriterien seien „ausschließlich medizinische Gründe“.

 Wie eng die personelle Lage ist, zeigte sich erst vergangenen Woche, als sich die Kinderintensivstation von Donnerstag, 9 Uhr, bis Freitag, 9 Uhr, bei der Regionalleitstelle in Kiel abmeldete, die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin I sogar von Donnerstag, 9 Uhr, bis Freitag, 12 Uhr. „Dies geschieht aufgrund der bundesweit knappen intensivpflegerischen Situation nicht selten“, erklärt Grieve.

Motivierte Kräfte gingen verloren

 „Dass kein Nachwuchs zu finden ist und vor allem qualifiziertes Pflegepersonal rar ist, stimmt so nicht“, schrieb dagegen die Angehörige einer ehemaligen Intensiv-Kinderkrankenschwester des UKSH in einer Mail. „Ich habe miterlebt, wie die DRK-Schwesternschaft am UKSH um ihre Jobs gekämpft und verloren hat.“ Nachdem das UKSH den DRK-Gestellungsvertrag gekündigt hatte, seien viele „hochqualifizierte, gut ausgebildete und hoch motivierte“ Kräfte verloren gegangen.

KN 8.11.2016

Es ist ein günstiger Moment die Diskussion an die Öffentlichkeit zu tragen. Die Leserbriefe in den Kieler Nachrichten belegen, daß in der öffentlichen Meinung das Verständnis für Profitgier und Sparkurs auf Null gesunken ist.

Personalnot am UKSH: Klinik findet keine Fachkräfte

Betten-, Zimmer- und vor allem Personalmangel: Der Vorstand des Uniklinikums muss nun binnen eines Jahres dem Ministerium darlegen, wie es in Zukunft neue Mitarbeiter gewinnen will.

Lübeck/Kiel Die Negativ-Meldungen über das landeseigene Universitätsklinikum UKSH reißen nicht ab. Erst attestierte die Ärztegewerkschaft Marburger Bund dem neuen Hochschulmedizin-Gesetz, dass SPD, Grünen und SSW in der kommende Woche in erster Lesung beschließen wollen, dass es die Ärzte entmachte. Jetzt muss die Landesregierung Personalnot im Uniklinikum einräumen.

Erst Anfang November war am Campus Kiel ein schwerkranker Junge aus Berlin abgewiesen worden, den seine Eltern aus der dortigen Charité zu einem Spezialisten an die Förde verlegen lassen wollten.Begründung des UKSH: Man habe „Kapazitätsengpässe“. Im Klartext: Betten-, Zimmer- und vor allem Personalmangel. Und die Personalnot herrscht offenbar auch auf anderen Stationen. Es sei immer schwieriger, Fachkräfte zu finden, heißt es vom Klinikum.

SPD-Sozialministerin Kristin Alheit bestätigte das jetzt auf einer Pressekonferenz zum neuen Hochschulmedizin-Gesetz. Das sei beim UKSH aber nicht anders als bei anderen Krankenhäusern, erklärte sie zunächst. Dann aber kam heraus: Die Lage ist offenbar so dramatisch, dass der UKSH-Vorstand dem Ministerium noch binnen dieses Jahres einen Bericht vorlegen muss, wie neues Personal gewonnen werden kann und wo neue Stellen gebraucht werden. Es werde dann auch konkrete Handlungsanweisungen an das Klinikum geben, betonte SPD-Wissenschaftsstaatssekretär Rolf Fischer.

Die Personalnot des UKSH könnte in Teilen tatsächlich hausgemacht sein. Jahrelang mussten die Pflegekräfte im Zuge der wirtschaftlichen Sanierung des Klinikums Lohneinbußen hinnehmen. Andere Mitarbeiter wurden in eine Tochterfirma zu schlechteren Konditionen ausgegliedert. In nächster Zeit sollen parallel zur baulichen Sanierung auf den Stationen hunderte Stellen gestrichen werden, Arbeitsverdichtung droht.

Der Marburger Bund fürchtet darüber hinaus, dass UKSH-Vorstände künftig zum Beispiel aus Kostengründen auch in Behandlungskonzepte hineinregieren könnten (wir berichteten). Denn: Laut eines neuen Paragrafen im Gesetzentwurf der Koalition sollen die Ärzte einem Direktionsrecht des Vorstandes unterworfen werden. Fischer wies die Kritik gestern zurück. Die Ärzte würden in ihrer Interessenvertretung sogar gestärkt, weil neben dem Vorstandschef, einem kaufmännischen und einem pflegerischen Vorstandsmitglied künftig auch zwei Medizin-Dekane aus Lübeck und Kiel feste Vorstandsposten bekämen. Sollte von kaufmännischer Seite zum Beispiel die Anschaffung eines teuren Geräts abgelehnt werden, könnten die Dekane ein Veto einlegen und die Universitätsmedizinversammlung anrufen. In der SPD-Landtagsfraktion ist man angesichts der Kritik zurückhaltender.

Alle Betroffenen hätten im Anhörungsverfahren noch Gelegenheit zur Stellungnahme, sagt deren Hochschulpolitiker Martin Habersaat. Und mit diesen Stellungnahmen werde man sich gründlich auseinandersetzen.

Wolfram Hammer

ln-online 8.11.2016

 

Wir möchten auch auf einen Offenen Brief aus einem Blog von 2015 hinweisen:

Offener Brief an Prof. Dr. Jens Scholz vom UKSH

Herrn Prof. Jens Scholz
Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor
des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Offener Brief zum Tod von unserem Ehemann und Vater Gerd Zimmermann (geb. 22.02.1944) im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein am 08.02.2013

 

Sehr geehrter Herr Professor Scholz,

unsere vielen Schreiben an Sie, an die Medizinische Klinik II und das Justiziariat mit der Bitte um Beantwortung unserer Fragen blieben bis heute unbeantwortet.

Wir fordern Sie hiermit öffentich auf, endlich eine schriftliche Stellungnahme des Klinikums an uns abzugeben, warum unser Ehemann und Vater, Gerd Zimmermann, am 08.02.2013 auf der Intensivstation 12a des UKSH – Lübeck – sterben mußte und warum bis heute der Todeszeitpunkt ungeklärt ist.

Es besteht in Ihrem Klinikum angeblich eine Anweisung „von oben“, dass uns niemand Auskunft geben darf und auch die Stellungnahme, die an Ihre Haftpflichtversicherung (Allianz) gegangen ist, nicht von uns eingesehen werden darf. Wir, die Betroffenen, dürfen die Stellungnahme nicht sehen?

weiter

2020:

LN-online 28.9.2020

LN-online 9.10.2020

7 Gedanken zu „Profitstreben vs. Gesundheit“

  1. zur info:

    in einem berliner betriebsflugblatt heisst es:

    Personalmangel kann tödlich sein

    Was haben das Universitätskrankenhaus Kiel und die Charité gemeinsam? Personalmangel. Leider kann ein kleiner Patient mit einer sehr seltenen Krankheit nicht von der Charité nach Kiel, zum einzigen Spezialisten deutschlandweit, verlegt werden. Der Grund: „Kapazitätsengpässe“. Was sollen wir dazu noch sagen?”

    Quelle: http://sozialistische-arbeiterstimme.org/spip.php?article1249
    Antworten

  2. Was sich am Beispiel UKSH abspielt, geschieht auch im globalen Maßstab.
    Wenn die Gesundheit nicht als gesellschaftliche Aufgabe gesehen wird, sondern als Möglichkeit Profite zu machen, bleibt die Gesundheit auf der Strecke. Für den Profit geht man über Leichen…

    Tödliche Supererreger aus Pharmafabriken

    Rund um Fabriken in Indien, wo fast alle großen Pharmakonzerne produzieren lassen, sind große Mengen an Antibiotika in der Umwelt. So entstehen gefährliche, resistente Erreger, die sich global ausbreiten.

    Reporter des NDR sind mit Unterstützung von Wissenschaftlern dem Verdacht nachgegangen, dass die Pharmaunternehmen Abwässer in die Umwelt leiten. Ein mögliches Motiv: im harten, globalen Wettbewerb günstiger produzieren zu können. Denn die Aufbereitung von Resten aus der Herstellung von Medikamenten ist extrem aufwändig und teuer.

    Dort lassen laut den Recherchen auch fast alle großen deutschen Generikahersteller – wie Ratiopharm, Hexal oder Stada – Wirkstoffe produzieren.

    Denn tatsächlich fanden die Wissenschaftler Antibiotika sowie auch Pilzmedikamente in den Gewässern. Die Konzentrationen lagen teils hundertfach oder gar mehrere Tausend Mal über vorgeschlagenen Grenzwerten für die jeweiligen Substanzen. Der renommierte, schwedische Umweltpharmakologe Joakim Larsson sagt, viele der gemessenen Werte seien so hoch, dass es keine andere vernünftige Erklärung dafür gebe als Industrieabwässer.

    Es sei noch viel schlimmer als erwartet, sagt Christoph Lübbert. Im mikrobiologischen Institut seines Klinikums wiesen die Forscher in allen Proben gefährliche, multiresistente Erreger nach. Dies sei sehr beängstigend, so Lübbert – auch, weil die Bakterien nicht vor Ort bleiben, sondern sich ausbreiten.

    Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet multiresistente Erreger als eine der größten globalen Bedrohungen. Schon jetzt sterben weltweit 700.000 Menschen jedes Jahr an Infektionen, bei denen Medikamente versagen.

    https://www.tagesschau.de/ausland/antibiotika-113.html

  3. Es steht schlecht um das deutsche Gesundheitssystem. Jens Scholz, die neoliberale Dampfwalze am UKSH, wird als Vordenker des Umbaus des deutschen Gesundheitswesens gepriesen:

    Professor Dr. Jens Scholz ist Vordenker des Jahres 2018.
    Scholz personifiziere wie kein anderer die Neuausrichtung des deutschen Gesundheitswesens

    HL live 16.03.2018

    1. Pflegefall nach OP
      Familie verklagt UKSH-Chef Scholz

      Schwere Vorwürfe gegen das UKSH: Die Witwe eines Radiologen beschuldigt das Universitätsklinikum Kiel, durch einen groben Behandlungsfehler die Pflegebedürftigkeit ihres Mannes verursacht zu haben.

      Die Familie Gockel erhebt schwere Vorwürfe gegen das Universitätsklinikum (von links): Sohn Henrik Gockel, Mutter Ute, Tochter Anja und Sohn Hans-Helmut Gockel sind davon überzeugt, dass ihr Vater und Mann Opfer eines Behandlungsfehlers wurde.

      In dem Prozess, der am Freitag vor dem Landgericht Kiel begann, geht es um Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von rund 500.000 Euro. Das UKSH weist die Vorwürfe zurück.

      Patient wollte sich gegen Alterszittern operieren lassen

      Es geht um die Behandlung im Jahr 2008. Damals hatte sich der Arzt Dr. Hans-Peter Gockel in der Neurochirurgie des UKSH eine Stimulationssonde ins Hirn implantieren lassen, um das Alterszittern in der rechten Hand loszuwerden. Bei der OP kam es zu Komplikationen. Anschließend wurde der 76-Jährige auf den Intensivstationen der Neurochirurgie und der Anästhesie behandelt. Als er nach einem Koma das UKSH schließlich verließ, war er blind, konnte sich nicht mehr bewegen und nicht mehr kommunizieren. Die siebeneinhalb Jahre bis zu seinem Tod musste er rund um die Uhr gepflegt werden.

      weiter: https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Pflegefall-nach-OP-Familie-verklagt-UKSH-Chef-Scholz

  4. Es läuft öfter mal was schief:

    „Wolfgang H. war im August 2017 eingeliefert worden, nachdem er in Lübeck-Blankensee in einem verwirrt erscheinenden Zustand Fahrzeuge und Mülltonnen beschädigt hatte. Die Polizei brachte den 33-Jährigen, der mutmaßlich unter Drogeneinfluss stand, darauf in das Uniklinikum. Da der Mann hochgradig aggressiv war und sich wehrte, sollte er für die Behandlung auf dem Krankenbett fixiert werden.

    Es besteht der hinreichende Verdacht, dass der zum Tatzeitpunkt noch 19 Jahre alt gewesene jüngere Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in diesem Zusammenhang ein Kopfkissen nahm und damit den Kopf des Patienten so zur Seite drückte, dass dessen Atemwege ganz oder teilweise verschlossen und so die Atmung erheblich behindert wurde“, teilte die Lübecker Oberstaatsanwältin Ulla Hingst jetzt mit.

    Irgendwann rührte sich Wolfgang H. nicht mehr. Atemstillstand. Er wurde reanimiert, lag aber im künstlichen Koma. Drei Wochen später starb er nach Angaben der Staatsanwaltschaft aufgrund eines sauerstoffmangelbedingten Hirnschadens. Dieser sei nach Bewertung der Staatsanwaltschaft „zumindest auch auf den Einsatz des Kissens durch den Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes zurückzuführen“. Schon beim Transport und der Fixierung war im Herzkreislaufsystem des Mannes ein Sauerstoffmangel aufgetreten. Den übrigen elf Angeschuldigten wird vorgeworfen, das Vorgehen des Sicherheitsmitarbeiters wahrgenommen zu haben und nicht eingeschritten zu sein, erklärte Hingst.“
    https://www.ln-online.de/Nachrichten/Norddeutschland/Todesfall-am-UKSH-Staatsanwaltschaft-erhebt-Anklage

    „Kein Verfahren gegen Lübecker Ärzte, Pfleger und Sicherheitsdienst

    Ende Mai hatte die Staatsanwaltschaft zwölf Personen wegen Körperverletzung mit Todesfolge eines Psychiatrie-Patienten angeklagt. Jetzt lehnte die Große Strafkammer die Eröffnung des Hauptverfahrens ab.

    Aufatmen beim UKSH“

    https://www.ln-online.de/Lokales/Luebeck/Kein-Verfahren-gegen-Luebecker-UKSH-Mitarbeiter

    1. Patientin kritisiert Personalmangel

      Es passierte beim Aussteigen aus dem Bus. Stephanie Westphal spürte einen Schmerz und konnte nicht mehr gehen. Der Rettungsdienst bringt sie in die Zentrale Notaufnahme des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH). „Dort musste ich stundenlang warten. Die waren völlig unterbesetzt“, kritisiert die Frau aus Neumünster.

      Stephanie Westphal: „Irgendwann habe ich Rabatz gemacht“

      https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Uniklinikum-in-Kiel-Patientin-aus-Neumuenster-kritisiert-Personalmangel

      1. Überfüllte Notaufnahmen: Verletzte wartet acht Stunden in Kieler Krankenhaus

        Gereizte Patienten, lange Wartezeiten, Personalmangel: Von den Zuständen in den Notaufnahmen sind Betroffene oft genervt. Viele haben die lange Warterei im Krankenhaus schon selbst erlebt. Die Debatte um zu wenig Personal befeuerte nun eine Dame aus Kiel mit ihrer persönlichen Leidensgeschichte: Im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) wartete Stephanie Westphal geschlagene acht Stunden mit einem Bänderriss in der Notaufnahme – ohne Erfolg. Immer wieder wurde sie vertröstet, es gäbe zu viele Notfälle und wenig Personal. Wir haben mit der Ärztekammer Schleswig-Holstein und dem Pressesprecher des UKSH über den traurigen Rekord gesprochen.

        https://www.sat1regional.de/ueberfuellte-notaufnahmen-verletzte-wartet-acht-stunden-in-kieler-krankenhaus/

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