Die ZDF Journalistin Beate Frenkel hat umfangreich über die Medikamentenvergabe für unruhige Kinder recherchiert. Die Recherchen sind inzwischen als Buch unter dem Titel „Die Kinderkrankmacher“ erschienen.
Der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) hat ein Interview mit ihr veröffentlicht, aus dem ich hier zitieren möchte.
Der Pharmamanager einer großen Firma hat uns vor Jahren gesagt: „Jetzt knöpfen wir uns die Kinder vor. Die machen wir zu Kranken.“ Das hat offensichtlich funktioniert. Da wird ein Milliardengeschäft mit unseren Kindern gemacht. Es hat uns aber sehr überrascht, welches Ausmaß das inzwischen hat: Vor 20 Jahren gab es noch etwa 5.000 Kinder mit ADHS, jetzt sind es es angeblich über 600.000. Jährlich schlucken sie 1,75 Tonnen Tabletten dagegen. Tabletten mit schwersten Nebenwirkungen, wie etwa jener, dass sie nicht so wachsen wie andere, Herzrhythmosstörungen oder Depressioenen bekommen Das fanden wir alarmierend. Was tun wir da unseren Kindern an, die das wichtigste sind, was wir haben!
Nicht die Kinder sind das Problem, sondern die Erwachsenen – so hat es der bekannte Schweizer Wissenschaftler und Kinderarzt Remo Largo im Gespräch mit uns auf den Punkt gebracht. Viele Eltern fühlen sich unter Druck, weil sie Angst vor dem sozialen Abstieg ihrer Kinder haben. Sie geben im Jahr 1,5 Milliarden Euro allein für Nachhilfestunden aus – obwohl ihre Kinder oftmals gute Noten haben. Eltern haben Angst, dass ihre Kinder in der Schule versagen, wenn sie unkonzentriert oder zappelig sind. Und auch viele Lehrer sind unter Druck, weil sie in viel zu großen Klassen in immer kürzerer Zeit den Lehrstoff durchpauken müssen. Die Kinder sollen sich dann anpassen, notfalls eben mit Tabletten.
Die Kinder schlucken Tabletten, die nicht für sie gemacht sind und von denen wir nicht wissen, was sie langfristig in den wachsenden Kinderhirnen bewirken. Und man muß sich eben klar darüber sein, dass diese Psychopharmaka schwerweigende Nebenwirkungen haben können. Immer mehr Kinder bekommen beispielsweise Neuroleptika verordnet, die auch als Gehirnerweicher bezeichnet werden.
Die Pharmaindustrie verdient an jeder Pille, die verschrieben wird. Neue Krankheiten, gegen die es die passenden Tabletten gibt, sind ein gutes Geschäft. Und auch Ärzte profitieren davon. Manche Ärzte lassen sich leider vor den Karren spannen. Ein Pharmainsider hat uns gesagt: Wir gehen schon früh an die Unis ran, an junge Wissenschaftler. Da entstehen Freundschaften fürs Leben. Die Pharmaindustie zahlt Ärzten Fortbildungen oder Vorträge, lobt Preise aus, finanziert Studien. Da entstehen Abhängkeiten. Das hat System.
Zitate aus der Broschüre Naturalisiserung und Individualisierung – Beiträge der Wissenschaft zur Legitimation von Armut und Ausgrenzung. Absolut lesenswert!
Auch die Nachdenkseiten berichteten über das Buch von Beate Frenkel.